zum Hauptinhalt

Kultur: MUSIK IN BERLIN: Präsenz und Utopie

Während zwischen den verschiedenen Fassungen der früheren Symphonien viele Jahre liegen, arbeitete Bruckner seine 8.Symphonie schon bald nach der Vollendung noch einmal um.

Während zwischen den verschiedenen Fassungen der früheren Symphonien viele Jahre liegen, arbeitete Bruckner seine 8.Symphonie schon bald nach der Vollendung noch einmal um.Der ersten Fassung von 1887 folgte die zweite von 1890, die dieses Werk im Prinzip bis 1972, als die neuedierte Erfassung zum ersten Mal aufgeführt wurde, alleine repräsentierte.Die Rückkehr zur Erstfassung, welche sich seitdem allgemein durchsetzte, bedeutet nicht nur die Auseinandersetzung mit einer wesentlich herberen Instrumentation, sondern auch mit einer anderen Dramaturgie: Während Bruckner in der Erstfassung bis auf das Adagio alle Sätze mit Jubelfanfaren abschließen läßt, bekommt der Anfangssatz später einen eher psychologisch gedachten, tragischen Schluß.Eine Musik der Längen entstand, das gilt besonders für das Finale, welches Bruckner seiner Zeit empfahl "fest zu kürzen, denn es wäre viel zu lange und gilt nur späteren Zeiten..." Es wäre wohl naiv, anzunehmen, das sei nun unsere Zeit, denn diese monumentale symphonische Jubelfanfare bleibt "zu lang", auch wenn uns eine Interpretation wie Michael Gielens mit der Staatskapelle Berlin, diese Längen verstehbar, nicht bloß goutierbar machen kann.Gielen gelang in einer durchweg spannenden Aufführung das Kunststück, das endlose Gloria dieser Musiker nicht psychologisch aufzuheizen, und damit unglaubwürdig zu machen, aber auch nicht einfach in affirmativer Weihe zu feiern, dem großen Jubel, der das Adagio als Ort der Gegenwart umgibt, somit bei aller Präsenz seinen utopischen Ort zu bewahren.Das durfte man erwarten, ein bißchen überraschend wirkte es dabei aber schon, daß auch die Schärfen dieser Musik, etwa die dissonanten Klangballungen des 1.Satzes, doch allzu selbstverständlich vorüberzogen.Konzentration und Strenge prägten die Tempi dieser Aufführung, überraschend, aber vom Gesamtkonzept her einleuchtend zurückgehalten, vor allem im Scherzo, dessen Nähe zu den Trauermärschen des 1.und 4.Satzes unheimlich spürbar wurde.Anhaltende Ovationen zum Schluß, für Dirigenten und Staatskapelle, die im doch recht mulmigen tieferen Blech weniger zu überzeugen vermocht hatte, als in Streichern und Holzbläsern.

MARTIN WILKENING

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false