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Kultur: Musik in Berlin: Tick und Limerick

Verkehrte Welt spielte der RIAS-Kammerchor in seinem Faschingskonzert: Das Ernste wurde hier komisch und das komisch Gemeinte zum Schluss so bierernst, dass nach diesem Nonsense-Programm des 20. Jahrhunderts nur noch der Rückzug in eine nostalgische Brahms-Zugabe blieb.

Verkehrte Welt spielte der RIAS-Kammerchor in seinem Faschingskonzert: Das Ernste wurde hier komisch und das komisch Gemeinte zum Schluss so bierernst, dass nach diesem Nonsense-Programm des 20. Jahrhunderts nur noch der Rückzug in eine nostalgische Brahms-Zugabe blieb.

Gesungen allerdings wurde unter Hans-Christoph Rademanns animierender Leitung zauberhaft - auch dann, wenn gar nicht gesungen wurde. Mit seinem "Mitternachtsstük" irritierte Mauricio Kagel nicht nur den Verleger, der partout die "falsche" Rechtschreibung des Titels korrigieren wollte. Er entstammt verstreuten Tagebuchblättern des 18-jährigen Robert Schumann. Hier geht es um Schauerromantik mit Orgel spielenden Gerippen und bleichen Mondgöttinnen, aber auch um Jugendfragen nach Gott, Tod und Unsterblichkeit. Kagel vertont alles ganz wörtlich, lockt die Komik aus dem Pathos hervor, wenn etwa das junge Genie verzweifelt ein Buch von sich wirft und dieses tatsächlich auf die Pauke knallt, wenn mit einer echten Klingel (mit Wackelkontakt) Champagner geordert wird und dieser in klirrende Gläser strömt. Kagel schreibt da allerdings Wasser vor - klingt das anders?

Im Sprechgesang erzeugt der RIAS-Kammerchor delikate Reibelaute, klagende Glissandi und Seufzer, todernst deklamiert die wunderbare Schauspielerin Therese Affolter. Eisenketten, geschütteltes Laub, mit zwei Damenpumps geschlagene Steinplatten, brillant bedient vom Kammerensemble Neue Musik Berlin, vervollständigen das skurrile instrumentale Theater. Das jedoch überführt Mauricio Kagel schließlich in traditionelleren, schwebenden Klang: "Das Leben ... ein zweifelvoller Septimenakkord", wie Robert Schumann meint - und das ohne den "milden Trost der Auflösung".

Den gewährt Bernd Englbrecht umso reichlicher. Der 31-jährige Komponist steht in der Münchner Tradition eines Bialas oder Killmayer, und er verpasst der Gedichtsammlung "Was denkt die Maus am Donnerstag" von Josef Guggenmos das adäquate Klanggewand: Hier wie da erlebt man nur ein halbherziges Rütteln an den Gitterstäben der Konvention, die sich damit umso fester gefügt erweisen. Was für eine triefäugige Beschwörung der heilen Kinderwelt, wenn in sanft verrutschender Tonalität der Vater sagt "wie ich werden soll".

Nur gut, dass der RIAS-Kammerchor vor dieser Uraufführung mit Limerick-Vertonungen von Petrassi und Seiber den prallen Humor deftiger Rhythmen und zungenbrecherischer Vielschichtigkeit verströmen konnte. Und überhaupt war Dienstag.

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