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Kultur: MUSIK IN BERLIN

Vielleicht, so denkt man nach diesen beiden Abenden, sollten Künstler grundsätzlich die Möglichkeit bekommen, sich zweifach in einer Stadt zu präsentieren.Und sei es nur, um den Eindruck eines danebengegangenen Konzerts gleich wieder zurechtrücken zu können.

Vielleicht, so denkt man nach diesen beiden Abenden, sollten Künstler grundsätzlich die Möglichkeit bekommen, sich zweifach in einer Stadt zu präsentieren.Und sei es nur, um den Eindruck eines danebengegangenen Konzerts gleich wieder zurechtrücken zu können.Das Emerson-Quartett jedenfalls braucht diesen zweiten Abend, den abschließenden der festwöchigen Beethoven-Reihe, um seinem Ruf als Weltklasseformation gerecht zu werden.Denn das ergänzende Wien-Programm vermittelt am Tag zuvor lediglich den Eindruck von Quartettroutine auf hohem Niveau.Bei den Hauptstücken, Mozarts erstem preußischen Quartett und Bergs Lyrischer Suite, kämpft jeder an seinem Pult, ohne daß ein gemeinsamer Interpretationswille die Werke trägt.Mit schwerfällig breiter Tongebung dominiert Primarius Philip Setzer den Mozart, erschlägt durch sein Übergewicht jeden Dialogansatz.Mechanisch wirken die Dynamikkontraste nebeneinandergestellt, ohne daß die Emersons aus der Kontrastdramaturgie Funken schlagen könnten.Eugene Drucker, hier noch zweiter Geiger, rückt für Bergs Suite ans erste Pult.Von zurückhaltenderer Natur als sein Kollege, mit leichterem Ton agierend, gewährleistet er zumindest Ausgewogenheit in der Stimmführung - jedoch wenig mehr.Weder druckvoll romantisch noch konturenüberzeichnend modern noch sonderlich klangfein sitzt die Interpretation zwischen allen Stühlen, bleibt in monochromer Blässe gefangen.Hier hätte man Entschiedeneres erwartet, zumal in der ersten Konzerthälfte ein farbkräftiger, spätromantisch aufgeladener "Langsamer Satz" Weberns vorangegangen war.

Der Beethoven-Abend im fast ausverkauften Kammermusiksaal, der offenbar vom ausgefallenen Philharmoniker-Konzert profitiert hat, findet die New Yorker anfangs noch auf dem Niveau des Vorabends.Das launige Opus 18.5 findet erst im Finale den notwendigen Schwung, wird über weite Strecken vom hier sehr nervös intonierenden Drucker am ersten Pult gehemmt.Für die verbleibenden zwei Quartette rückt Setzer auf und hält sich an diesem Abend im Zaum: Viel flexibler gestaltet er seinen Part jetzt, stellt die Weichen für große Interpretationen.Im Opus 95 und noch mehr im krönenden Opus 132 zeigt sich, weshalb die Beethoven-Einspielungen des Quartetts Referenzcharakter besitzen.Hier harmonieren die vier Musiker optimal, Drucker als der sensibel Zuhörende und Antwortende verleiht dem zweiten Pult Profil.Von ihm aus zieht sich eine Achse zum verhalten Akzente setzenden David Finckel am Cello, während die klanggesättigte Bratsche von Lawrence Dutton das Pendant zu Setzers kräftigen Behauptungen gibt.Hier funktioniert endlich der Dialog, bleibt selbst das schier endlose Motivhin-und-hergewerfe im Scherzo von Opus 132 mit Spannung aufgeladen, atmet der zentrale Dankgesang des langsamen Satzes jene beseelte Sanglichkeit, bei der sich alle Farb- und Dynamiknuancen wie selbstverständlich einem großen Bogen unterordnen.

JÖRG KÖNIGSDORF

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