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Kultur: Mutter Courage

Zum Tod der Schauspielerin Rosel Zech

Schauspieler müssen damit leben, dass ihre bekanntesten Rollen nicht ihre anspruchsvollsten sind. Wenn Maggie Smith und Judi Dench auf der Straße erkannt werden, dann wegen Harry Potter und James Bond, nicht wegen einer Shakespeare-Inszenierung am Old Vic. Auch Rosel Zech, eine der herausragenden Theaterschauspielerinnen der siebziger Jahre, war in den letzten Jahren vor allem ein populäres Fernsehgesicht. Mit ihrer bewährten freundlichen Autorität verkörperte sie die Oberin Dr. Dr. Elisabeth Reitter in der Serie „Um Himmels Willen“, die seit 2002 ausgestrahlt wird und im Durchschnitt sieben Millionen Zuschauer erreicht. Der doppelte Doktor ist kein Druckfehler: Elisabeth Reitter hat Theologie und Betriebswirtschaft studiert, sie ist gläubig und praktisch.

Das Bodenständige an Rosel Zech erklärt sich aus ihrer Herkunft. Der Vater war Binnenschiffer, die Mutter Näherin. Ein Schauspielstudium am Max-Reinhardt-Seminar brach sie vorzeitig ab, um die Lehrjahre in der westdeutschen Provinz zu absolvieren. 1970 trat Peter Zadek in ihr Leben. Er nahm sie mit ans Schauspielhaus Bochum, besetzte sie als Cordelia in „König Lear“ und als Nina in „Die Möwe“. Für ihre Hedda Gabler wurde sie 1977 zur Schauspielerin des Jahres gewählt.

Mehrere Zadek-Zech-Inszenierungen sind fürs Fernsehen aufgezeichnet worden. Dort erlangte sie ihren Durchbruch mit der Ruhrpott-Serie „Die Knapp-Familie“ (1981). Als unangepasste Mutter, die sich einen jüngeren Liebhaber leistet, stand sie im Kontrast zu den meist biederen und wehleidigen „Müttern der Nation“. Der Durchbruch im Kino kam mit Rainer Werner Fassbinder, für den sie bereits Nebenrollen gespielt hatte. Er besetzte sie als vergessene, drogensüchtige Ufa-Schauspielerin in dem Berlinale-Sieger „Die Sehnsucht der Veronika Voss“ (1982). Darin war sie eigentlich fehlbesetzt, sie wirkte eher zupackend als entrückt, aber sie überspielte dieses Manko virtuos. Nur eine weitere Kinohauptrolle war ihr vergönnt, als deutsche Bibliothekarin, die ausgerechnet in Alaska zu sich selbst findet, in Percy Adlons Festivalerfolg „Salmonberries“ (1991).

Zum Theater fand sie erst spät zurück. Im Sommer 2009 wurde Brechts „Mutter Courage“ am Originalschauplatz präsentiert: im Fichtelgebirge, bei den Luisenburg-Festspielen in Wunsiedel. Zech verfügte immer noch über eine starke Bühnenpräsenz, aber sie war von einem blassen Ensemble umgeben. Erst vor wenigen Monaten ist bei ihr Krebs diagnostiziert worden, am Mittwochabend ist sie 69-jährig der Krankheit erlegen. Bekannt gegeben wurde ihr Tod durch die Fassbinder-Foundation – ein Zeichen für die enge Bindung, die trotz der kurzen Zusammenarbeit bestand.Frank Noack

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