zum Hauptinhalt

Kultur: Mutter will nur sein Bestes

Wie schön! Berlin entdeckt das musikalische Lustspiel wieder - jene charmante Gattung, die durch eingestreute Gesangsnummern den türenklappenden Komödien viel von ihrer Konstruiertheit nimmt.

Wie schön! Berlin entdeckt das musikalische Lustspiel wieder - jene charmante Gattung, die durch eingestreute Gesangsnummern den türenklappenden Komödien viel von ihrer Konstruiertheit nimmt. Das funktioniert wie in der Oper: Wo Menschen unvermittelt zu singen beginnen, sinken die Erwartungen an die Stringenz der Geschichte auf ein augenzwinkerndes Minimum. Glücklich ist, wer vergisst, dass er Logik ganz vermisst. Musikalische Lustspiele sind Gegengift zu den Megamusicals, kleine, handgemachte Produktionen, die weder technischen Schnickschnack noch Bühnenbombast brauchen.

Nach dem "Bezaubernden Fräulein" in der Kudamm-Komödie und "Fisch zu viert" mit Sullivan-Musik im Theater im Palais präsentiert nun das Volkstheater Hansa "Was macht eine Frau mit zwei Männern?": Strafverteidiger Stefan möchte Elfie heiraten. Doch just am Tag der Verlobung platzt eine Unbekannte in die Feier. Was Stefan, der wider Willen von der Schönen fasziniert ist, nicht ahnt: Seine Mutter hat die rassige Dame engagiert, um ihren Sohn vor der Ehe mit der langweiligen Elfie zu retten. 1949 hatte das Stück im Berliner "Kabarett der Komiker" Premiere. Ein Alltags-Ablenkungsmanöver, zeitgemäß von Will Meisel musikalisiert, das man eigentlich bei 90 Grad durch die Textwaschmaschine schicken müsste, um den Staub der Jahrzehnte herauszuschleudern - wenn man nicht gleich, wie die Neuköllner Oper mit ihren "Krötzkes", das Genre neu erfindet.

Will man auf Nummer sicher gehen - weil Boulevardtheater-Fans nun einmal auf diese rosa Brillen schwören, durch die alte Zeiten immer so gut aussehen - dann ist Geschwindigkeit oberstes Gebot: Die Original-Dialoge, die vertanzten Schlager brauchen Tempo, wenn sie zünden sollen. Jürgen Wölffer und Adam Benzwi haben beim "Bezaubernden Fräulein" vorgemacht, wie das geht. Im Volkstheater Hansa aber gehen dem Rezensenten die Worte aus dem aktuellen Berliner-Privattheater-Gutachten nicht aus dem Sinn: Von "platten, eindimensionalen Charakterzeichnungen", war da die Rede, vom "zähen, müden Boulevardtheater", dem jede Spur des "schnellen Berliner Witzes" abgehe. 1963 wurde das Hansa-Theater mit dem Ziel gegründet, Berliner Geschichten zu erzählen. In "Was macht eine Frau mit zwei Männern?" wird nicht einmal angedeutet, in welcher Stadt wir uns befinden. Alexandra Jacob stellt zwar ein 50er-Jahre-Wohnzimmer mit Barhockern und spinnenbeinigem Sofa auf die Bühne, doch die Schauspieler agieren so zeitlos mondän, wie es die Zuschauer nun einmal in diesem Genre wünschen. Durch das gespreizte Gehabe aller Beteiligten jedoch funktioniert der Grundkonflikt des Stückes - der Zusammenprall von Unkonventionalität und Spießerwelt - nicht. Wenn Rita Gäbler die brave Elfie Westentaschen-Monroe mimen muss, verliert die Duodez-Lollobrigida der Pascale Camele den Reiz des Verruchten. Und auch Claudio Maniscalcos gockelhaftem Stefan glaubt man keinen Moment lang den Pantoffelhelden, der erst durch Muttis Hilfe zur sexuellen Befreiung findet.

Regisseurin Katja Nottke, die deutsche Synchronstimme von Demi Moore, Michelle Pfeiffer und Melanie Griffith, verschenkt diese Produktion, die doch so wichtig ist für das Hansa-Theater, das ab 2003 ohne Subventionen dastehen wird. Ein Stück von 1949, in dem es um Pelzklau geht (während sich die meisten mit dem Kohlenklau herumschlagen), ein Text, der den Männermangel nach dem Krieg thematisiert, dazu Songs, die nach Anspielungen auf die Situation des Hauses und die Tagespolitik schreien - da gehört viel Gedankenlosigkeit dazu, gegen diese Signale anzuinszenieren. Die von der Senatsverwaltung bestellten Gutachter haben es sich mit ihrer Empfehlung, dem Haus die Förderung zu streichen, nicht leicht gemacht: So wichtig ein Kieztheater sei, die aktuellen Betreiber würden "leider" den Ansprüchen nicht gerecht, "die heute an ein in Berlin betriebenes Theater zu stellen sind." Leider wahr.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false