zum Hauptinhalt

Kultur: Mystisches Rauschen

Die Neue Opernbühne stößt einen förmlich mit der Nase drauf: Keines der drei Berliner Opernhäuser hat ein Werk Benjamin Brittens im Repertoire.Die Aufführung von Brittens "Curlew River" als Berliner Erstaufführung verdient daher schon im vorab Dank.

Die Neue Opernbühne stößt einen förmlich mit der Nase drauf: Keines der drei Berliner Opernhäuser hat ein Werk Benjamin Brittens im Repertoire.Die Aufführung von Brittens "Curlew River" als Berliner Erstaufführung verdient daher schon im vorab Dank.Denn wie viele Werke Brittens bleibt die 1964 entstandene Kirchenoper als bloßes Hörstück auf CD flach und entfaltet ihre volle dramatische Wirkung erst im Live-Eindruck.Wie oft bei Britten weist auch diese Parabel von der verrückten Frau auf der Suche nach ihrem verlorenen Sohn direkt auf die Biographie des Komponisten zurück, ist ein verschlüsseltes Abarbeiten an der eigenen Kindheit und Homosexualität.

Eine Inszenierung braucht sich darum nicht zu kümmern - vermutlich würde es den Kunstcharakter dieser Parabel zerstören, wenn man die Oper auf die Couch legte.Eine Inszenierung muß aber zu einer entschiedenen ästhetischen Form finden, und hier scheitert Alexander Paeffgen an der Fülle seiner eigenen Ideen.Obwohl das Kesselhaus der Kulturbrauerei mit seinen nackten Betonwänden eine denkbar stimmungsvolle Folie abgibt und obwohl etliche Details gut gelöst sind.Wir erfahren, daß dies ein von Mönchen aufgeführtes Schauspiel ist - selbst die Instrumentalisten sind in braune Kutten gehüllt.Wir erfahren auch, daß das Mysterium überzeitlichen Anspruch erhebt: Auf halber Saalhöhe sitzt eine schwarzverhüllte Gestalt, um die ewigkeitssymbolisierende Wasserströme rinnen.Das ganze hat aber auch mit japanischem No-Theater zu tun, sagen uns Kostüm und Bewegungssprache.Von allem etwas und nichts ganz: Weder eine simple, durch Naivität entwaffnende Nacherzählung noch eine strenge Ritualisierung.Selbst die Versuche, dem Mönchschor eine einheitliche Bewegungschoreographie beizubringen, bleiben oberflächlich und scheitern an dessen Ungenauigkeit.

Dennoch funktioniert die Aufführung dank ihrer musikalischen Qualität.Hier wird die Homogenität erreicht, die man auf der Szene vermißt.Das beginnt bei der sorgsam gewahrten Balance zwischen Bühne und Begleitmusik.Die verfremdenden Instrumentalfarben von Viola, Piccolo und Harfe werden so immer wieder in ihrer bewußten Künstlichkeit erfahrbar.Das geht weiter mit dem gut verständlichen Englisch der Darsteller, und hört auf bei den solistischen Einzelleistungen: Mark Adler singt die Madwoman kultiviert, mit hellem, biegsamen Tenor, wahrt mit fast liedhaftem Ton die Ebene der Kunstmusik.Jörg Gottschick und Hagen Matzeit ergänzen sich in Timbre und Stimmcharakter optimal: Der eine mit Autorität und kräftigerem Stimmkern, der andere sein weicheres, zages Komplement.Und zuletzt Jonathan dela Paz-Zaens, der schon als Dulcamara an der Neuköllner Oper überzeugt hatte: Eine gut sitzende, farbenreiche Baßstimme mit schöner, fast übermütig vibrierender Höhe, auf die es zu achten gilt.

Weitere Aufführungen: 18., 19., 21.- 23.8., 20 Uhr.Karten unter 030/4419270.

JÖRG KÖNIGSDORF

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false