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© Berlinale

"Na Putu": Der Weg und das Ziel

Berlinale Wettbewerb: „Na Putu“ von Jasmila Zbanic ist ein heißer Bären-Kandidat. Was tun, wenn der Partner plötzlich radikaler Moslem wird? Luna kämpft um ihre Liebe und um ihre Freiheit.

Zwei Wege. Zwei Möglichkeiten. Wenn dir auf einer Party von Freunden, mitten in der Großstadt Sarajewo, ein junger Mann begegnet, intelligent, aufgeschlossen, Universitätsabsolvent, und dieser Mann weigert sich, dir die Hand zu geben, weil du eine Frau bist. Oder wenn du eine junge Frau triffst, hübsch, gepflegt, gebildet, die sich freiwillig entschlossen hat, sich bis auf einen Augenschlitz in eine schwarze Burka zu hüllen. Die erste Möglichkeit: Empörung, Unverständnis, Ablehnung. Ende der Diskussion.

Die bosnische Regisseurin Jasmila Zbanic hat sich für den zweiten Weg entschlossen. Natürlich, auch sie, die moderne, selbstständige Filmemacherin, hat sich zunächst wahnsinnig aufgeregt. Und dann entschieden: Ich will verstehen. Ich will verstehen, warum dieser Mann so eine Entscheidung getroffen hat. Und ich will verstehen, warum mich das so trifft.

„Na Putu“ (Auf dem Weg) ist das Ergebnis. Ein Film, der sehr weit geht mit dem Verständnis. Der sich hineinbegibt in die Lager der radikalen Muslime, der die Tücher zeigt, die den Frauen- vom Männerbereich trennen, die Videos, die den Kindern den Koran eintrichtern, aber auch die Gemeinschaft abends am Lagerfeuer. Es sind Einblicke in eine geschlossene Gesellschaft, Einblicke aber auch in ein Bosnien von heute, in dem sich immer mehr Menschen der Religion zuwenden. Es ist eine Gesellschaft, in der in jeder Familie noch die Schrecken, die Verluste des Krieges spürbar sind. Und die gerade deshalb so verzweifelt nach Zukunft sucht – auch in der Religion. Inzwischen, erzählt Zbanic, ist die Burka keine Seltenheit mehr, selbst im Stadtbild von Sarajewo.

„Na Putu“ beginnt erst einmal mit Vorurteilen. Ein junges, verliebtes Paar, sie ist Stewardess, er arbeitet als Bodenpersonal am Flughafen, beide leben ein unbekümmertes, spaßorientiertes Großstadtleben zwischen Job, Disko und Wildwasser-Rafting am Wochenende. Als Amar wegen Alkoholkonsums seine Stelle verliert, nimmt er, vermittelt durch einen Freund, eine Stelle in einem Sommercamp der fundamentalistischen Gruppe der Wahhabiten an. Und verändert sich bald auffallend: Lässt sich einen Bart wachsen, betet regelmäßig, geht in die Moschee, verweigert sich Luna – kein Sex vor der Ehe – und findet es selbst okay, wenn einer seiner „Brüder“ eine Minderjährige als Zweitfrau heiratet – Gottes Gesetz ist stärker.

Luna, die junge Frau, kämpft. Kämpft um ihre Liebe, kämpft um ihre Freiheit. Da war so viel zärtliche Nähe zwischen den beiden, so viel gegenseitiger Respekt, so viel spielerische Leichtigkeit. Jetzt ist jede Verständigung verloren gegangen, jedes Verständnis dazu. „Wie weit gehe ich mit, wenn der Partner beginnt, sich zu verändern“, fragt Jasmila Zbanic in diesem Film. Und ihre herausragende junge Hauptdarstellerin Zrinka Cvitesic gibt auf der Pressekonferenz in Berlin die Antwort: „Ich bin genau wie Luna. Ich würde kämpfen, mit aller Kraft, für den Mann, den ich liebe. Aber ich würde am Ende ein kleines bisschen“ – sie zeigt es zwischen Daumen und Zeigefinger an – „so ein kleines bisschen für mich zurückbehalten, damit ich mir selbst treu bleiben kann.“

Wie viel Freiheit geht, und wie viel Liebe? „Na Putu“ erzählt eine Beziehungsgeschichte, und erzählt doch viel mehr. Denn auch Amar (Leon Lucev) bekommt sein Recht, wird nicht als Fanatiker denunziert, sondern als junger Mann auf einem Lebensweg der Sinnsuche gezeigt. Man kann ihm folgen. Man kann ihn verstehen. Am Ende haben beide, Luna und Amar, so etwas wie Klarheit gewonnen, zu einem hohen Preis . Doch bis zum Schluss besteht auch die Möglichkeit: Du kannst umkehren, einen Schritt auf den anderen zu tun. Es ist deine Entscheidung. Du hast die Wahl.

2006 hat Jasmila Zbanic mit ihrem Debütfilm „Grbavica“ den Goldenen Bären geholt. Nicht unwahrscheinlich, dass sie ihn mit „Na Putu“ noch einmal bekommt. Das wäre eine singuläre, aber ungeheuer verdiente Auszeichnung.

Heute 9.30 Uhr (Friedrichstadtpalast), 20 Uhr (Urania), 22.30 Uhr (International)

Einblick in eine fremde Welt: 

Jasmila Zbanic stellt ein Camp der Wahhabiten nach

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