zum Hauptinhalt

Kultur: Nach dem Winterschlaf

Der Aha-Effekt Ist Garantiert. Wer die Kunst-Werke aus der Zeit vor dem Umbau kennt, der wird staunen, was man mit einem alten Haus alles machen kann.

Der Aha-Effekt Ist Garantiert. Wer die Kunst-Werke aus der Zeit vor dem Umbau kennt, der wird staunen, was man mit einem alten Haus alles machen kann. In den letzten Jahren entstanden nach und nach Ausstellungsräume, Ateliers, das "Café Bravo" vom New Yorker Künstler-Architekten Dan Graham im Innenhof der ehemaligen Margarinefabrik. Nun ist - als vorläufiger Höhepunkt - im zweiten Hinterhof des denkmalgeschützten Ensembles der sogenannte "White Cube" hinzugekommen, eine Kunsthalle im wahrsten Sinne des Wortes, die am heutigen Sonntag um 17 Uhr feierlich eröffnet wird.

Entworfen hat die neue Ausstellungshalle der Berliner Architekt Hans Düttmann: Sie hat einen quadratischen Grundriß, ist gut 500 Quadratmeter groß, 5,40 Meter hoch, und wird mit viel Tageslicht beleuchtet, das durch eine 9 mal 10 Meter große Öffnung in der Decke einfällt. Der Zugang zur Halle erfolgt über eine Galerie, an deren Enden zwei Treppen nach unten führen. Das Bodenniveau liegt zwischen Erdgeschoß und Keller: Wegen der Bauvorschriften mußte - um die gewünschte Raumhöhe zu erreichen - der Kubus ein halbes Stockwerk tiefer gelegt werden. Da die trennende Wand zwischen Alt- und Neubau großflächig geöffnet wurde, schaut man, wenn man sich umdreht, sowohl in das ruinöse Souterrain als auch ins Erdgeschoß der alten Fabrik - eine Perspektive, die nicht unbedingt erwartet, wer den Raum das erste Mal betritt.

Die Gestaltung der lichten Halle ist schlicht, zurückhaltend, ohne verspielte Details - beste Voraussetzungen also für die Präsentation von Kunst. Einziger Wermutstropfen: vier schlanke Säulen in der Mitte des Saales, die den freien Blick ein wenig verstellen. Sie sind aus konstruktiven Gründen notwendig, hätte Düttmann auf die Stützen verzichtet, wären die Kosten auf das Doppelte gestiegen. So aber sind die Bauherren mit 3,5 Millionen Mark ausgekommen, was nicht übertrieben ist, wenn man bedenkt, daß damit nicht nur der White Cube errichtet, sondern das gesamte Quergebäude von Grund auf saniert wurde.

Das heißt, eigentlich sind die Arbeiten noch in vollem Gange. Die offizielle Einweihung wird erst Ende September stattfinden. Um dem Publikum bis dahin mehr zu bieten als eine Baustelle, entschloß sich der künstlerische Leiter, Klaus Biesenbach, den Ort schon jetzt neu zu bespielen. Eine gute Entscheidung, sah es doch nach der Berlin-Biennale im vergangenen Herbst eine Weile so aus, als seien die Kunst-Werke in nachhaltigen Winterschlaf versunken. Zwei Künstler bestreiten die Eröffnungsausstellung, ein alter und ein junger. Vom 70jährigen amerikanischen Konzeptkünstler und Minimalisten Sol Lewitt ist die Arbeit "Cube without a Corner" zu sehen, ein großer Würfel mit einer Seitenlänge von fünf Metern, der aus roh belassenen Quadern besteht und dessen eine Ecke abgefast ist. Der 32jährige Tobias Rehberger hat mehrere kreisrunde, mit Holzfurnier verblendete Skulpturen in unterschiedlichen Größen im Raum verteilt. Angeblich sollen Besucher sich darauf legen, um die Halle vom Boden aus zu betrachten. Nun, man kann, muß aber nicht. Darüber hinaus werden verschiedene Künstlervideos gezeigt, darunter von Tracey Moffat, Safi Etiel, Johannes Kahrs, Tony Oursler und - nicht zuletzt - von Christoph Schlingensief. Aha.

Kunst-Werke, Auguststraße 69, bis Ende September; Sonntag bis Donnerstag 12 - 18 Uhr, Freitag und Sonnabend 12 - 21 Uhr.

ULRICH CLEWING

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false