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Kultur: Nach Moskau, nach Moskau

Die deutschen Kunstmessen kriseln. Gewinner sind Neugründungen wie Frieze

Noch vor zwei Wochen erzählte er, wie intensiv man daran arbeite, die Art Cologne „innovativer zu präsentieren“. Rund fünf Tage später legte Bernd Aufderheide sein Amt als Geschäftsführer des Kölner Kunstmarkts nieder. Nachfolger ist Oliver P. Kuhrt, der bisher die Koelnmesse Service GmbH leitete. AufderHeides Rücktritt, ob freiwillig oder nicht, ist ein weiteres Signal für die Krise, in die der ehemals angesehenste deutsche Kunstmarktplatz für den zeitgenössischen Handel geraten ist. Ob ein „Kommunikator“, wie ihn die Art Cologne seit einiger Zeit als Akquisiteur internationaler Galerien, Vermittler zwischen Händlern und Managern, Entertainer für die Sammler und Berater für die Medien sucht, der matten Veranstaltung ein Come back verleihen kann, ist fraglich. Denn das Image der Art Cologne ist nachhaltig beschädigt. Deutsche Galeristen mit internationalem Network und Programm stufen sie als „B-Messe“ und als „mittelmäßig“ ein, wie die Berliner Max Hetzler und Michael Krome (Schipper & Krome) – oder gar als „Dinosaurier“ wie Christian Nagel, der Galerien in Köln und Berlin führt.

„Die sogenannte Erneuerung der Art Cologne, halte ich, gelinde gesagt, für lächerlich“, meint er und spielt auf Gerüchte an, die sich um den Namen des künftigen Messeanimators ranken. Favorit ist angeblich Gerard Goodrow, Experte für zeitgenössische Kunst beim Auktionshaus Christie’s, der das on dit allerdings als „Spekulation“ abtut. Orientierungslosigkeit charakterisiert die Taktik der Messe derzeit. In Köln beheimatete Galeristen der ersten Liga wie Daniel Buchholz, Gisela Capitain, Michael Jannsen, Johnen & Schöttle oder Sprüth Magers halten nur noch aus „Loyalität“ an ihr fest. Angesichts ihrer glorreichen Vergangenheit, auch im Hinblick auf ihren „phantastischen Stamm von lokalen Sammlern“, den ihr zum Beispiel die Berliner Galeristin Nicole Hackert (Contemporary Fine Arts) konzediert, ist es ein Skandal, dass die Art Cologne immer weiter ins regionale Abseits abdriftet. Monika Sprüth, die dieses Jahr ihr 20-jähriges Jubiläum feiert, bringt die Situation auf den Punkt: „Früher waren Köln und Basel gleichrangig. Wenn sich jetzt schon die Belgier überlegen, ob es noch Sinn macht, nach Köln zu kommen, wird es kritisch“.

Doch nicht nur der erstarrte Kölner Kunstmarkt, bei dem dieses Jahr eigentlich nur Leo König aus New York, der Sohn von Museum Ludwig-Direktor Kasper König und Lisson aus London für Top-Riegen-Flair stehen, ist ein deutliches Symptom für die zunehmende Bedeutungslosigkeit des deutschen Kunstmarkts auf dem internationalen Terrain. Das vor fünf Jahren als Oase der Avantgarde gegründete Art Forum Berlin leidet ebenfalls unter grassierendem Verlust an internationalem Renommée. Außer dem Gründungsmitglied Nagel und Barbara Thumm, die jetzt zusammen mit Burkhard Riemschneider (neugerriemschneider) aus dem Galerienbeirat ausgeschieden ist, nimmt keine der führenden Berliner Galerien an der auf 94 Händler verkleinerten Messe Anfang Oktober teil, weder Mehdi Chouakri noch Neu, Klosterfelde, Nordenhake, Arndt & Partner, carlier/gebauer oder Barbara Weiss (Tagesspiegel vom 5. Juli). Allein Thaddaeus Ropac mit Galerien in Paris und Salzburg und Georg Kargl aus Wien sind als „Big Shots“ erwähnenswert.

Anstoß von außen

Neue Dynamik suchen die Global Players unter den deutschen Galeristen nun einmütig in London, wo vom 17. bis 20. Oktober dieses Jahres die „Frieze Art Fair“ ihr Debüt im zentral gelegenen Regent’s Park gibt. Warum scheint diese, von der gleichnamigen Kunstzeitschrift initiierte Messe aus dem Stand ein Must für innovative Galeristen geworden zu sein? Obwohl teuer, profitiert sie vom Bonus des Neuen, außerdem von Londons Ruf als Drehscheibe des Kunsthandels neben New York. Mit Prognosen für die Zukunft halten sich Galeristen aber zurück: „London besitzt bis heute keinen ernst zu nehmenden lokalen Kunstmarkt und keine bedeutenden Sammler“, meint etwa Nagel und bezweifelt, dass sich die Messe „auf Dauer durchbeißen kann“.

Dass es allerdings der Art Cologne jemals wieder gelingt, internationales Terrain zurückzuerobern, scheint Händlern nur mit „Höchstanstrengungen“, so Krome, möglich. Noch bedenklicher sieht es in Berlin aus, wo Galeristen wie Michael Janssen, Gisela Capitain oder Monika Sprüth nicht mehr an die Zukunft des Art Forums glauben. Während man die Art Frankfurt, aber auch die Art Chicago nicht einmal mehr für erwähnenswert hält, begrüßen Galeristen in Schlüsselpositionen wie Max Hetzler jüngste Initiativen alternativer Klein- und Solounternehmer wie die von Andreas E. Lohaus & W. M. Gehlen. Parallel zum Kölner Kunstmarkt veranstalten sie im Palladium „art.fair“, eine Messe, auf der 53 überwiegend deutsche Galerien ihre Nachwuchstalente zu Preisen unter 5000 Euro präsentieren.

Nach dem Muster der in New York und London erfolgreichen „Affordable Art Fair“ will auch Bernd Fesel, ehemaliger Geschäftsführer des Bundesverbands deutscher Galerien, mit einem „European Art Expo“ (noch bis 20. Juli, NRW-Forum Kultur und Wirtschaft) getauften Zwitter zwischen Messe und Ausstellung „eine Lücke füllen“. 17 Galeristen bieten Arbeiten zum Thema Fotografie und zu Preisen zwischen 250 und 2500 Euro an und versuchen so, Lifestyle-Käufer und Nachwuchssammler zu locken.

Das Defizit an preislich akzeptabelen Angeboten für Einsteiger hat auch die Art Basel erkannt und dieses Jahr zum ersten Mal die Sektion „Less than 5000 Euro“ eingerichtet. Nach wie vor ist die Schweizer Messe die Lieblingsveranstaltung der internationalen Galeristen- und Sammler-Elite. Im Ranking der Messen für zeitgenössische Kunst steht sie glanzvoll an erster Stelle, seit dem letzten Jahr verstärkt von ihrer ebenso prachtvollen Schwester in Miami. Sie besitzt alle Eigenschaften, von denen andere Messeveranstalter lernen könnten: in Samuel Keller einen optimalen Kreativdirektor, eine angenehme Location, stylisches Raumdesign, elegantes Info- und Entertainment, Rundum-Service und rigorose Qualitätskontrolle in der Auswahl von Händlern und Werken. Neben ihr können höchstens noch die Arco Madrid, die New Yorker Armory Show, die Fiac Paris und die Turiner Artissima international bestehen.

Als Geheimtipps unter deutschen Trendgaleristen gelten außerdem die Art Athina in Athen, die Mailänder „Miart“ und – ganz hip– die Art Moskau, die Christian Nagel empfiehlt. Während sich global agierende Galeristen künftig also neben der unverzichtbaren Art Basel immer selektivere lokale Märkte erschließen, geraten Köln und Berlin weiter auf ein Abstellgleis.

Eva Karcher

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