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Kultur: Nach München!

Das Filmfest eröffnet heute mit „Winterreise“

Die Voraussetzungen für das große Gala-Vergnügen könnten kaum besser sein. Hans Steinbichler, dessen Film „Winterreise“ heute das 24. Münchner Filmfest eröffnet, ist vor drei Jahren mit seinem Erstling „Hierankl“ in München entdeckt und gleich mit dem Förderpreis Deutscher Film ausgezeichnet worden. „Winterreise“ hat oberbayrisches Lokalkolorit, spielt aber auch in Kenia – und passt somit gut zur Bodenständigkeit und Internationalität, die das Festival in gleicher Weise verkörpert. Vor allem aber ist der Film aufregend besetzt: Neben dem wuchtigen Josef Bierbichler und der Grande Dame Hanna Schygulla ist Sibel Kekilli zu sehen – in ihrer ersten größeren Rolle seit „Gegen die Wand“, ihrem Berlinale-Triumph vor zwei Jahren.

„Winterreise“, der unlängst auf dem Festival von Karlovy Vary seine Weltpremiere feierte, beglückt allerdings nur beschränkt. Der Film beginnt als Psychogramm des cholerischen Eisenwarengroßhändlers Franz Brenninger, dessen Geschäfte nicht gut laufen – und der seine Wut bitter an der Familie auslässt. Steinbichler hält das mit nervöser, häufig nachfokussierender Kamera fest. Bald verlagert sich der Schwerpunkt auf einen kolportagehaften Plot, der Brenninger nach Afrika führt: vom Winter in den Sommer, von der Einsamkeit der Landschaft ins Menschengewühl, von Wasserburg am Inn nach Nairobi. Es gibt schöne Landschaftspanoramen und stimmungsvolle Musikpassagen aus Schuberts titelgebendem Liederzyklus – schauspielerisch allerdings gerät „Winterreise“ zunehmend zur brachialen One-Man-Show des Sepp Bierbichler.

Die beiden Hauptdarstellerinnen jedenfalls, als Antipoden des vitalen Grantlers gedacht, bleiben blass. Hanna Schygulla als Brenningers Frau muss die ätherische, bettlägerige Phlegmatikerin geben. Und Sibel Kekilli, die dem aufbrausenden Brenninger ein sanfter Schutzengel sein soll, kommt – wie schon in Fatih Akins „Gegen die Wand“ zu beobachten war – mit leisen Nuancen eher schlecht zurecht.

Doch ein ambivalenter Eröffnungsfilm macht nicht ein ganzes Festival – das Münchner Filmfest punktet traditionell mit starken Premieren deutscher Filme. Auf dem Programm steht etwa Michael Hoffmanns „Eden“, der die Moderatorin Charlotte Roche in Szene setzt – Hofmann hatte in München bereits mit seinem Debüt „Sophiiie“ einen Preis geholt. Außerdem ist Franziska Stünkels „Vineta“ zu sehen – die Verfilmung von Moritz Rinkes gleichnamigem Bühnenstück, mit Peter Lohmeyer und Ulrich Matthes. Und in „Fliegende Ratten“ schickt Regisseur David Jazay ein Drogenpärchen auf einen fatalen Trip durch Kreuzberg. Insgesamt werden bis zum 22. Juli auf dem Filmfest 250 Filme aus 40 Ländern zu sehen sein.

Julian Hanich

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