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Kazuo Ohno zeigt Clown und Hexe zugleich. Das Foto wurde 1990 aufgenommen.

© picture-alliance/ obs

Nachruf: Kazuo Ohno: Der Zarte

Die Butoh-Tanzlegende Kazuo Ohno ist tot. Als tanzender Greis in Frauenkleider vermochte er es wie kein anderer, Freude und Trauer zugleich auszudrücken.

Von Sandra Luzina

Für alle, die seinen Auftritt in „Admiring La Argentina“ 1989 in der Akademie der Künste miterlebten, war es eine Offenbarung. Zunächst aber bannte einen diese Erscheinung: Der Altmeister des Butohtanzes hatte sein Greisengesicht weiß geschminkt, er trug ein violettes Kleid mit Spitzen, dazu ein mit Stoffblumen dekoriertes Hütchen. Doch Kazuo Ohnos Hommage an die spanische Flamencotänzerin La Argentina war keine Travestie, sondern glich einer Metamorphose. Man konnte zusehen, wie die Erinnerungen seinen ausgezehrten Körper zu neuem Leben erweckten. Verwandlung, Verklärung und Vergänglichkeit – all das schwang mit in den so zarten wie grotesken Gesten des damals schon 83-Jährigen. Es war ein Tanz, der sich zwischen Sinnlichkeit und Spiritualität ausspannte, Ohno schien mit den Toten zu kommunizieren; und verkörperte so die zwiespältige Natur des japanischen Butoh. Der „Tanz der Dunkelheit“ betrachtet das Leben aus der Perspektive des Todes. Wild, düster, schmerzhaft. Doch Ohno rang diesem menschlichen Drama auch immer wieder ein wildes Lachen ab.

Geboren 1906 in Hakodate war Ohno zunächst Sportlehrer und bereits über 40 Jahre alt, als er zum Tanz fand. Eine Begegnung mit dem deutschen Tänzer Harald Kreutzberg, einem Schüler Mary Wigmans, wurde zur Inititalzündung. Anfänglich tanzte Ohno in der Compagnie von Tatsumi Hijikata, dem Vater des Ankoku Butoh. Doch erst der versponnene Ohno verhalf dem japanischen Tanz in Europa und den USA zu Popularität.

Als tanzender Greis in Frauenkleidern wurde Ohno zum Mythos. Keiner konnte wie er Freude und Trauer zugleich ausdrücken. Er war das heilige Monster, der melancholische Clown, die irrlichternde Hexe. 2004 trat Ohno letztmalig in Berlin auf, im Haus der Kulturen der Welt. Ein Exzentriker in schwarzem Anzug, weiß gepudert das Gesicht, eine Rose in der Hand. Ohno, entrückt und verzückt. Immer schien er sich mit einem Fuß in anderen Sphären zu bewegen. Seine Seele wird immer weitertanzen, davon war Kazuo Ohno überzeugt. Am Dienstag ist er im Alter von 103 Jahren in Yokohama gestorben. Sandra Luzina

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