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Traumpaar. Walter Giller und Nadja Tiller 1958 in Berlin.

© Heinz-Jürgen Göttert/dpa

Nachruf: Tagträumer und Tramp: Zum Tod von Walter Giller

Prädestiniert für die Rolle des Zivilisten. Walter Giller, einer der komischsten Schauspieler des Nachkriegsfilms, ist tot.

Er war ein Held für Zeiten, die keine Helden mehr brauchten. In Uniform sah Walter Giller unpassend aus, schon sein schlaksiger, stets etwas vornübergebeugter Körper und der schlurfende Gang prädestinierten ihn für die Rolle des Zivilisten. In seinem besten Film „Rosen für den Staatsanwalt“ spielt er einen (Über-)Lebenskünstler, der Ende der fünfziger Jahre noch immer nicht im Wirtschaftwunder angekommen ist.

Er schlägt sich als Straßenverkäufer von „Zauberkarten, Hühneraugenhobeln und Kunststoffkrawatten, alles was der Mensch so braucht“ durch, während die anderen um ihn herum längst Karriere gemacht haben. Erst die Wiederbegegnung mit dem Staatsanwalt, der ihn im Krieg zum Tod verurteilt hatte, weckt seinen Rebellionsgeist. Am Ende hat der Staatsanwalt sein Amt verloren, aber Giller steht wieder im zerknautschten Anzug mit seinem Koffer an der Straße. Ein Tramp.

Zerknautschte Schlagfertigkeit

Giller war einer der komischsten Männer des deutschen Nachkriegskinos. Er unternahm in „Drei Mann in einem Boot“ mit Heinz Erhardt und Hans-Joachim Kulenkampff eine pannenreiche Flussreise, sang und tanzte in einem Remake von „Die Drei von der Tankstelle“ und sorgte in belanglosen Revuen wie „Musik, Musik und nur Musik“ für Heiterkeit. Sein Witz mischte sich mit Melancholie. Wenn er Angestellte, Schwiegersöhne oder Tagträumer verkörperte, kleine Männer, die sich demonstrativ von allen Nackenschlägen des Lebens nicht die gute Laune nehmen ließen, erinnerte seine zerknautschte Schlagfertigkeit an Heinz Rühmann und Jack Lemmon.

„Rosen für den Staatsanwalt“, Wolfgang Staudtes bitterkomische Satire von 1959, erscheint wie eine Vorwegnahme des Filbinger-Falls. Es gab etliche solcher furchtbaren Juristen, die in die Verbrechen des NS-Regimes verstrickt waren, doch darüber wollte in der Adenauer-Ära kaum jemand reden. Giller wirkte in seiner Rolle auch deshalb so glaubwürdig, weil ihm immer noch der Flakhelfer in den Knochen zu stecken schien, als der er mit 16 Jahren in Kriegsgefangenschaft geraten war. „Wir hatten töten gelernt, ehe wir gelernt hatten, ein Mädchen auszuführen“, sagte er später in einem Interview.

Im Krieg die Kindheit verloren

„Skeptische Generation“, so nannte der Soziologe Helmut Schelsky diese Jungen, die im Krieg ihre Kindheit verloren hatten. Bei Giller drückte sich die Skepsis in einer Lässigkeit aus, die im Vermeiden von Pathos und Lautstärke fast amerikanisch erschien. Die ZDF-Serie, in der er als plaudernder Gentleman Witze erzählte, trug den programmatischen Titel „Locker vom Hocker“ .

Sein Handwerk hatte der Arztsohn aus Recklinghausen ab 1947 an den Hamburger Kammerspielen gelernt, wo er sich vom Requisiteur zum Ensemblemitglied hocharbeitete. Dort lernte er auch den Regisseur Helmut Käutner kennen, mit dem er 1949 seinen ersten Film „Artistenblut“ drehte. Ein großer Kinostar ist er nicht geworden, als nach dem Beginn des Jungen Deutschen Films die Rollenangebote ausblieben, schreckte er auch vor Sexfilmen wie „Grimms Märchen von lüsternen Pärchen“ nicht zurück. „Dass zu meiner Szene hinterm Busch die sieben Zwerge onaniert haben, wusste ich gar nicht“, hat er sich entschuldigt. Auch Werke wie „Ein Käfer auf Extratour“ oder „Lady Dracula“ waren eher Trash als Filmkunst.

"Ein ganz normaler Schauspieler"

Giller fühlte sich sich oft unterfordert. Er sei „kein Künstler, sondern ein ganz normaler Schauspieler“, sagte er in einer Mischung aus Alterstrotz und Resignation. So ging er mit seiner Frau Nadja Tiller mit Neil Simons Stück „Plaza Suite“ auf Boulevard-Tournee und gab Rezitationsabende mit Texten von Heine, Tucholsky und Kästner. Einen letzten Kinoauftritt hatte er 2009 in Leander Haußmanns Altersheim-Komödie „Dinosaurier“, wo er, ganz alte Schule, noch einmal in einer Slapstick-Einlage eine Blumenvase leer trank. Mit Tiller war er seit 1956 verheiratet, zuletzt lebten sie in einem Hamburger Seniorenstift. In der Nacht zum Freitag ist Giller mit 84 Jahren in einer Klinik gestorben.

„Klassenkeile“, NDR, Samstag, 12.15 Uhr; „Geliebte Hochstaplerin“, BR, Samstag, 13.15 Uhr; „Drei Mann auf einem Pferd“, ARD, Montag, 10.35 Uhr

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