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Kultur: Nackt, neckisch, schön

„Zwei Sammler“ in Hamburgs Deichtorhallen

Es ist eine kleine Sensation. In diesem Sommer treffen die Höhepunkte aus zwei deutschen Privatsammlungen zeitgenössischer Kunst in Hamburg aufeinander: 220 Werke von 100 internationalen Künstlern, darunter Prominenz wie Richard Artschwager, Mark Dion, Damien Hirst, Richard Prince und Gerhard Richter. Organisiert hat die programmatisch mit „Zwei Sammler“ überschriebene Ausstellung Dirk Luckow, Chef der Hamburger Deichtorhallen. „Ich wollte Harald Falckenberg aus Harburg über die Elbe in die City holen“ berichtet er. „ Falckenberg ging dann auf seinen Berliner Sammlerkollegen Thomas Olbricht zu“. Die Ausstellung zeigt die unbekannte Seite des Kunstschaffens der letzten Jahrzehnte.

Olbricht, gelernter Arzt und Chemiker aus Essen, der heute in Berlin lebt, begann mit Anfang 20, Kunst über Liebe, Lust und Tod von Dürer bis Murakami und Catellan zu akkumulieren. Der Hamburger Jurist Harald Falckenberg sammelt hingegen erst seit 1994, am liebsten Groteskes, Politisches und Provokatives von Kippenberger über Meese bis Paul McCarthy: Kunst möglichst weit weg vom „Guten, Wahren und Schönen“.

Doch Olbricht und Falckenberg sind sich ähnlicher, als ihre Ansätze glauben machen: beruflich erfolgreiche Akademiker in ihren Sechzigern mit Professoren-Titel. Beide haben nichts gegen die Bezeichnung „enfant terrible“, sie haben einen Hang zum Öffentlichen und das nötige Kleingeld für eigene Privatmuseen. Zeigen, was man hat: Thomas Olbricht tut es seit 2010 in seinem Ausstellungshaus „me Collectors Room“ in der Berliner Auguststraße. Harald Falckenberg agiert schon neun Jahre länger in der alten Phoenix-Fabrik in Hamburg-Harburg, die er in einen minimalistischen Kunstpalast verwandeln ließ. „Kunst, die sich mit den gesellschaftlichen Zusammenhängen auseinandersetzt, bedarf nach meiner Überzeugung der Öffentlichkeit“, schreibt er im Ausstellungskatalog.

Den gemeinsamen Auftritt mit Olbricht regte Falckenberg an, um ein differenziertes Gesicht der zeitgenössischen Kunst zu offenbaren. Ihn ärgerten die negativen Stimmen, die der Kollege 2010 bei der Eröffnung seines Museums in Berlin zu hören bekam. Die Ausstellung in Hamburg ist für Falckenberg nun eine Art Heimspiel. Seit Januar ist seine Sammlung als Dauerleihgabe organisatorisch, konzeptionell und teils auch finanziell unter das Dach der vom Senat geförderten Deichtorhallen geschlüpft.

Deichtorhallen-Chef Dirk Luckow, der „Zwei Sammler“ kuratiert hat, stellt nun in der nördlichen Halle seines Hause in dreizehn Themenräumen Werke aus beiden Sammlungen rund um die Motive Jugend, Weiblichkeit, Sex und Tod in einen Dialog. Zu sehen ist ein bunter Mix aus Nacktem und Neckischem, Heimeligem und Obszönem, Politischem und Religiösem, oft provokant, zuweilen komisch, manchmal erfrischend abstrakt, mit fließenden Grenzen zwischen Kunst, Kitsch und Alltag. Meist kontrastieren die Darstellungen, manche ergänzen sich komplementär. Der gemeinsame Kontext schärft den Blick.

Obwohl Olbricht als Arzt und Falckenberg als Jurist Sammelnswertes fallweise auswählen und damit in der Methode ähnlich wie Künstler an die jeweiligen Positionen zeitgenössischer Kunst herangehen, galt es, ihren letztlich doch stark divergierenden Kunstgeschmack auf einen Nenner zu bringen. Dirk Luckow präsentiert so, dass man die Arbeiten nicht gleich mit der jeweiligen Sammlung assoziiert. „Fast hätten wir sogar auf Hinweisschilder an den Exponaten verzichtet, um den Spaß am Raten zu befördern“, sagt er. Der Rundgang als Quiz - keine schlechte Idee. Ulla Fölsing

Hamburger Deichtorhallen, bis 21. August, www.deichtorhallen.de

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