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Kultur: Nahost: Die Hoffnung stirbt

Israels Premier Ariel Scharon könnte der "Al-Aksa-Intifada" beziehungsweise dem nun tobenden Guerillakrieg ein schnelles Ende bereiten. Und es scheint nach den jüngsten Ereignissen fast so, als sei er genau darauf aus: Mit einem mächtigen Militärschlag könnte Israel die gesamten palästinensischen Gebiete zurückerobern, erneut besetzen und systematisch die Palästinenser entwaffnen.

Israels Premier Ariel Scharon könnte der "Al-Aksa-Intifada" beziehungsweise dem nun tobenden Guerillakrieg ein schnelles Ende bereiten. Und es scheint nach den jüngsten Ereignissen fast so, als sei er genau darauf aus: Mit einem mächtigen Militärschlag könnte Israel die gesamten palästinensischen Gebiete zurückerobern, erneut besetzen und systematisch die Palästinenser entwaffnen. Der Preis wäre allerdings hoch - für Palästinenser und Israelis. Die Totenzahlen gingen wohl in die Hunderte.

Noch aber richtet sich Scharons Blick nach Washington. Die USA sind der Grund, warum er sich wohl noch nicht vollends in das Abenteuer Krieg gestürzt hat. US-Präsident Bush hat ihm bei seinem letzten Besuch in Washington klar gemacht, dass er keine israelischen Störmanöver in seinem Krieg gegen den Terror duldet. Schlägt Israel allzu vehement auf die Palästinenser ein, so solidarisieren sich die arabischen Staaten mit Arafat und gefährden so den Fortbestand der Anti-Terror-Koalition.

Nach Scharons Überzeugung gilt der nächste Schlag der USA in ihrem Kampf dem Irak. Dazu braucht Washington arabische Partnerstaaten, um nicht in der arabischen Welt ganz in Verruf zu geraten. Beendet Bush junior die Fehde mit Saddam Hussein, dem Feind seines Vaters, als absoluter militärischer Sieger oder wird das irakische Regime diesmal für alle Zeiten gelähmt, dann muss Israel einen gewichtigen strategischen Feind weniger fürchten. Scharons Rechnung ist ebenso logisch wie einfach: Er lässt die Amerikaner ungestört die Dreckarbeit im Irak machen, während er selbst versucht, nur den einigermaßen erträglichen Status quo mit den Palästinensern wieder herzustellen. Anders ausgedrückt: Scharon tut so, als gehörten die Toten auf israelischer und palästinensischer Seite zu den ersten Opfern des neuen amerikanisch-irakischen Waffenganges - den es ja noch gar nicht gibt. Auf der anderen Seite steht Arafat. Der Palästinenserchef geht am Donnerstagmorgen langsamen Schrittes über die Trümmer, die überall auf dem Boden seines Hauptquartiers zerstreut herumliegen. Der Raum, in dem er Staatsgäste aus aller Welt empfangen hat, ist ausgebrannt. In der Decke seiner "Vip-Halle" klaffen zwei Löcher, gerissen von israelischen Raketen. Sein Blick fällt auf eine Wand, an der noch ein Porträt von ihm hängt. Das Bild hat den israelischen Angriff überstanden. Auch Arafat will nicht wanken. "Diese verbrecherischen Angriffe wollen die Entschlossenheit und Einheit der Palästinenser zerstören", sagt der 72-Jährige. Und verkündet dann: "Sie (die Israelis) wissen nicht, dass wir als Volk unbesiegt sind. Wir kümmern uns nicht um Flugzeuge, Panzer, Raketen oder Explosionen." Nur der Scheinwerfer einer Fernsehkamera beleuchtet die fast gespenstische Szenerie.

Arafat hat auch eine Taktik. Eine neue Taktik - und die ist erfolgreich. Er antwortet Scharon mit neuer Kampfausrichtung und neuen Drohungen. Er macht wieder wie ganz früher Guerillakrieg. Diese als Abnutzungskampf angelegte Guerillataktik gegen Siedler und Soldaten hat sich für ihn schnell als sehr erfolgreich erwiesen: Die Zahl der israelischen Opfer ist recht hoch, die Verunsicherung beim Gegner dementsprechend, auch die Solidarität zwischen Siedlern und der Restbevölkerung droht auseinanderzufallen, und schließlich sind ausländische, namentlich amerikanische Proteste gegen diese Taktik weitgehend ausgeblieben, da Verständnis bis zu einem gewissen Grade dafür vorhanden ist - anders als bei Bombenanschlägen in Israel selbst.

Sollte die Guerillataktik doch nicht den gewünschten politischen Erfolg bringen, also Israel weder zu Konzessionen noch zu einer Wiederaufnahme der Verhandlungen verleiten, so steht seit neuestem Arafats Raketendrohung im nahöstlichen Raum. Oder vielleicht nur auf dem Papier. Mit der "Kassam 2" gelangen israelische Bevölkerungszentren in Reichweite der palästinensischen Eigenbau-Rakete - hieß es zumindest bis zum Donnerstag. Die strategische Gefahr, die Israel mit der Aufbringung eines palästinensischen Waffenschiffes vor kurzem beschworen und abgewendet hatte, schien wieder auferstanden.

Nun aber haben israelische Experten Entwarnung gegeben. Ein exakter Nachbau von "Kassam 2" ergab geringe Reichweiten als ursprünglich angenommen, nämlich nur solche der seit längerem von den Palästinensern eingesetzten relativ harmlosen Mörsern. Postwendend ließen die Palästinenser verlauten, sie entwickelten bereits "Kassam 3" mit erheblich größerer Reichweite. Und außerdem verfüge die verbündete Hisbollah im Südlibanon über ein erhebliches Raketenarsenal. Wenn dieses auch wohl nicht 10 000 Raketen umfasst, wie Schimon Peres kürzlich behauptete, als er versuchte, den Israel drohenden Gefahren einen besonders gravierenden Charakter zu verleihen.

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