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Kultur: Nazi-Komplott in Bonn

Beutekunststück: Michael Junckers Doku-Drama „Deutschland vs. Deutsch“ im Kino

Es ist eine ziemliche Räuberpistole, die dem Zuschauer da vorgesetzt wird. Im November 1964 verschwindet ein österreichisch-israelischer Rechtsanwalt in Wiedergutmachungsfragen auf Druck des Bonner Finanzministeriums für achtzehn Monate in bundesdeutscher U-Haft, ohne dass ein Prozess eröffnet wird – das erfolgte erst 1972. Dabei ging es um 35 Millionen Mark vermeintlich erschlichener Wiedergutmachungsgelder. Die wurden gezahlt für die jüdischen Eigentümer einer ungarischen Kunstsammlung, die womöglich von der Roten Armee abtransportiert, eher jedoch von der SS ins „Reich“ verschoben worden war. Die Spuren verlieren sich 1944/45. Aber dann wird ein aus Griechenland ausgeliehenes El GrecoGemälde in einer Ausstellung des New Yorker Metropolitan Museums erkannt, das eben jener Sammlung Hátvany entstammt– und sogleich verschwindet…

Die Wege der vom NS-Regime in ganz Europa geraubten Kunstschätze sind verschlungen. Die Sammlung Hátvany ist heute teils vom ungarischen Staat enteignet, teils im Moskauer Puschkin-Museum zu finden, teils auf dem westlichen Kunstmarkt verhökert worden. Rechtsanwalt Hans Deutsch machte nach dem Krieg mit Wiedergutmachungsprozessen ein Vermögen, wobei er sich darauf berief, mittellosen Mandanten ein deutlich geringeres Honorar abzuverlangen als den wohlhabenden. Ein riesiges Anwesen im schweizerischen Lausanne war der Gipfel seines Glücks – bis das Bundesfinanzministerium zuschlug, damals geleitet von dem FDP-Mann und ehemaligen NSDAP-Mitglied Rolf Dahlgrün.

Das jedenfalls ist der rote Faden des Dokumentarfilms „Deutschland gegen Deutsch“, den Michael Juncker als Koproduktion diverser Fernsehsender realisiert hat. Die große Kinoleinwand, auf die sich der anderthalbstündige Streifen verirrt, bekommt ihm nicht. Filmisch geht die Dokumentation über biederes Handwerk nicht hinaus. Allerweltsmittelchen wie Handkamera und Zufallsszenen sollen einen cinéma-verité-Effekt herstellen; dazu kommen postkartengeläufige Aufnahmeorte wie Budapest und New York – aber ach, bei Moskau fällt Kameramann Bernd Meiners nichts Besseres ein, als auf russische Soldaten vor dem Kreml zu zoomen. Anschließend filmt er ein längliches Kaffeehaus-Gespräch ab, wie es auch von anderen Orten eingeblendet wird. Wirkt halt so schön konspirativ.

Recht bald kommt ins Bild, wer der eigentliche Anreger der Dokumentation gewesen sein dürfte: der New Yorker Staranwalt Ed Fagan, seinerseits im Holocaust Business tätig, mit spektakulären Erfolgen und in der Branche geflüsterten exorbitanten Honoraren. Apropos Honorare: Nahum Goldman, in den Fünfzigerjahren Präsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC), soll – so behauptet der Film – von Hans Deutsch 15 Prozent von dessen Honoraren anteilig für den WJC gefordert haben. Deutsch lehnte ab. Dunkel raunt Autor Juncker, das habe Deutsch geschadet – und unterstellt somit eine Mitwisserschaft Goldmans an dem von österreichischen Alt-Nazis und bundesdeutschen Behörden eingefädelten Komplott.

Da tut es dann nichts mehr zur Sache, dass viele Fragen angerissen, aber alsbald fallen gelassen werden, etwa wohin die – im Übrigen wohl nicht zur Gänze gezahlten – 35 Millionen Mark geflossen sind. Oder auch, was das griechische Provinzmuseum als Eigner des geraubten El Greco zu sagen hat. Oder aber die Fragen müssen mangels Gesprächspartner offen bleiben, wie beim Auktionshaus Sotheby’s, das das anrüchige Bild versteigerte und sich mangelnde Sorgfalt vorhalten lassen muss. Am Ende laufen alle Fäden im österreichischen Bad Aussee zusammen, wo die Austria-Nazis nach ’45 zu wohlangesehenen Bürgern aufsteigen und alles vertuschen konnten. Das zeigt der Film in aller Ausführlichkeit, unterlegt mit den zahllosen Legenden, die sich um Seen und Stollen der Region ranken, in denen Hitlers Paladine ihr Raubgut zu verstecken hofften.

Alles in allem also ein mit aufklärerischem Gestus auftrumpfender, tatsächlich aber zweifelhafter Film, eine Ed-Fagan-Promotion samt dessen Auftritt vor dem Berliner Bundesfinanzministerium im November 2004. Es sind nicht wenige, die aus der Aufklärung a G’schäftl machen, wie der 2003 verstorbene Wiener Hans Deutsch vielleicht nicht gesagt, aber sehr wohl verstanden hätte.

In Berlin im Eiszeit-Kino

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