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Das Hochzeitspaar El (Jessica Chastain) und Conor (James McAvoy).

© dpa

Ned Benson: „Das Verschwinden der Eleanor Rigby“: Vom Suchen und Finden der Trauer

Ein Paar verliert ihr gemeinsames Kind und muss sich neu finden: In „Das Verschwinden der Eleanor Rigby“ erzählt Ned Benson eine schmerzhafte Liebesgeschichte.

Wenn RomCom bedeutet, dass eine Beziehung entsteht, dann bedeutet Drama, dass sie zerbricht. Weil das jedoch selten bedeutsam genug ist, um zwei Stunden Kino zu füllen, hat Ned Bensons für seinen Debütfilm „Das Verschwinden der Eleanor Rigby“ eine weitaus stärkere Fallhöhe gewählt. Und die lässt er derart langsam in die Geschichte des getrennten Paares Eleanor und Conor (Jessica Chastain und James McAvoy) eintröpfeln, dass einen der Schmerz mit voller Wucht erst am Ende trifft – wenn beide trauern: Eleanor, genannt El, und Conor leiden nicht nur wegen ihrer verlorenen Beziehung. Sondern vor allem, weil sie ihren Sohn verloren haben.

Mehr ist es nicht, was Benson erzählt, und es reicht für drei Filme: Die beiden subjektiven Geschichten „Her“ und „Him“, die die Katastrophe jeweils aus ihrer und seiner Perspektive zeigten, wurden bereits beim Filmfest Toronto gefeiert – der Director’s Cut „The disappearance of Eleanor Rigby: Them“ läuft als neu zusammengeschnittene Zwei-Stunden-Version nun in den deutschen Kinos an. Der ruhige, nie aufs Tränentreiben angelegte Film präsentiert zwei verzweifelte Menschen, deren Lebensstrategien unterschiedlicher nicht sein könnten: Conor, der Tagedieb, Gourmet und Spaßvogel, hat alle Mühe, sein langsam in die Gentrifizierungspleite rutschendes Restaurant zu halten – und gleichzeitig sucht er seine Frau, die nach dem Tod des Sohnes einfach verschwunden ist.

„Das Verschwinden der Eleanor Rigby“: ein unlösbares Dilemma

Denn so fühlt sich El: Die einzige Methode, dem Schmerz zu begegnen, ist für sie, ihre Welt komplett zu ändern: neues Studium, neuer Wohnort, neue Frisur, neues Umfeld. In ihrem früheren Leben mit Conor, das Benson in Rückblenden einfängt, ist die gut gelaunte, wilde, von Knutschen, lachenden Zechprellereien und Sorglosigkeit geprägte Liebe zwischen den beiden untrennbar mit dem gemeinsamen Kind und somit untrennbar mit dem größten Schmerz ihres Lebens verbunden – ein unlösbares Dilemma. El muss alles wegwerfen und sich, wie man so schön hässlich sagt, neu erfinden: Ich kenne Sie gar nicht, sagt ihre Professorin. Ich mich auch nicht, antwortet El.

El ist wieder zu Hause eingezogen, auch Conor muss aus Geldgründen vorübergehend beim Vater wohnen. Beider Eltern äußern, was ihre Kinder nicht können: Auch ich habe einen Verlust erlitten – ich habe einen Enkel verloren, sagen sowohl Els Vater (William Hurt) als auch Conors Vater (Ciarán Hinds). Die Elterngeneration spiegelt hilflos die Trauer, der distinguierte Hurt gemeinsam mit seiner Rotwein trinkenden Frau (Isabelle Huppert), deren Schmerz man vor allem am Konsum erahnt, und der Lebemann Hinds, der zum ersten Mal überhaupt über seine Gefühle spricht.

Ned Benson überzeugt mit einer wichtigen Kinoqualität

Trotz einiger Klischees in den Verhaltensmustern – natürlich prügelt sich Conor in Männermanier dank emotionaler Wallung mit seinem besten Freund, und natürlich findet El in Frauenmanier eine gute, mütterliche Freundin zum Reden – ist der Film kaum kitschig, auch betreibt er keinerlei Schmerztourismus. Das liegt neben dem vom Regisseur geschriebenen Drehbuch am durchweg überzeugenden Cast und vor allem an der Entscheidung, das unaussprechliche Schicksal des Paars auch unaussprechlich zu lassen. Der Zuschauer muss nicht sehen, was die beiden sahen, um Empathie zu empfinden. Eine wichtige Kinoqualität; Ned Benson hat sie erkannt.

Cinemaxx, Colosseum, Kulturbrauerei, Kant; OV im Cinestar SonyCenter; OmU: Hackesche Höfe, International und Odeon

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