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Kultur: Negativ-Image der Musicals hält Frederike Haas davon ab sich als "Musical-Darstellerin" zu bezeichnen

Im Dunkel der leeren Bühne wirkt sie fast verloren. Die Ränge sind leer, bis zur Vorstellung dauert es noch Stunden, aber die Proben beginnen bald.

Im Dunkel der leeren Bühne wirkt sie fast verloren. Die Ränge sind leer, bis zur Vorstellung dauert es noch Stunden, aber die Proben beginnen bald. Sie schaut sich um: "Es verlangt viel Mut, fast zehn Minuten alleine im Scheinwerferlicht zu stehen und nicht einmal einen Atmer zu hören". Die Bühne wird während der Aufführung leer bleiben. Kein Kostümwechsel, nur ein paar schwarze Stühle als Kulisse, sonst nichts. "Trotzdem hat das Stück einen sehr intimen Stil", sagt sie, auch wenn sich Intimität auf der leeren, weiten Bühne schwer vorstellen lässt. Sie will das erklären, richtet dazu ihre Augen nach oben und streckt die linke Hand aus: "Wenn ich dastehe und nach dem Licht greife, dann füllt das den ganzen Raum", meint sie und schaut gleich danach den ungläubigen Betrachter an. "Wirklich", schiebt sie hinterher und lächelt.

Ortswechsel. In der Kantine im Theater des Westens rührt sie einen Schuss Milch in ihren Tee. Noch ist sie nicht nervös, aber spätestens heute Abend wird das anders sein. Denn dann feiert "Chicago" seine Berliner und die deutsche Premiere. Für Frederike Haas ein Heimspiel. Seit zehn Jahren wohnt sie in Berlin, ist bereits unter der Ägide von Helmut Baumann an der Kantstraße aufgetreten, sowie im "Spielverderber" an der Neuköllner Oper, dort, wo sie auch die Choreographie für den "Messeschlager Gisela" machte. Sie ist ein Routinier, um so mehr, als sie die "Chicago"-Hauptrolle der Roxie Hart bereits seit zehn Monaten, 250 Mal am Stück, in London und Wien spielte. "Bist du bescheuert, so etwas zu machen?", zitiert sie ihre Freunde, die den Kopf schüttelten. Sie hat sich davon nicht beeindrucken lassen: "Klar besteht bei solchen Engagements die Gefahr, dass es zu einer Aufführungs-Maschinerie kommt", also die Rolle nicht mehr authentisch wirkt, "aber es ist mein Job, dass es nicht dazu kommt."

Deshalb plant sie, eine Woche nach der Premiere wieder zu proben. "Es geht darum, Schwachstellen herauszufinden, sich schaupielerisch auszutauschen." Das findet Frederike Haas völlig normal: "Tänzer trainieren ja auch ständig, um in Form zu bleiben." Zunächst bis Mitte Januar wird sie nahezu täglich im Theater des Westens zu sehen sein. Trotzdem mag sie sich nicht als "Musical-Darstellerin" bezeichnen, "weil man da besonders in Deutschland schnell in eine Schublade gesteckt wird". Sie erinnert sich an einen Termin zum Vorsprechen an einer Sprech-Bühne: "Da haben die nur kurz in meine Bewerbung geguckt und gesehen, dass ich viele Musicals mache, und haben mich doch glatt gefragt: Was willst du hier?" Frederike Haas hat an der Hochschule der Künste, sowie in London in Los Angeles die drei Sparten Schauspiel, Tanz und Gesang gelernt, "und jetzt möchte ich auch die verschiedenen Sparten anwenden."

Dass Musicals in Deutschland und vor allem in Berlin derzeit ein Negativ-Image haben, wundert sie nicht. Die extreme Vermarktung der Stücke habe in Deutschland noch immer einen schlechten Ruf, Musicals hafte das gleiche Image an, das Seifenopern fürs Fernsehen haben. "Chicago" sei da eine Ausnahme. Tatsächlich gilt es als eines der erfolgreichsten Musicals weltweit, steht außer in New York, London und Wien auch in Tokio auf dem Spielplan.

Ein durchaus zynisches Stück, sagt sie, das im Chicago der 30er Jahre spielt, und das, glaubt sie, könne bei den Berlinern, die neue Musicals bisher eher zurückhaltend aufgenommen haben, gut ankommen. Warum? Chicago der 30er, Berlin der 20er, die Mythen beider Städte seien ähnlich, da gebe es durchaus Anknüpfungspunkte. Die Goldenen Zwanziger sind jedoch längst ein Klischee, das weiß sie, doch gerade sie werden immer wieder mit Berlin assoziiert. Auch für Frederike Haas ist das ein Thema: "Wenn es so etwas wie eine Wiedergeburt gibt, dann glaube ich, habe ich schon einmal in Berlin gelebt, und zwar in den 20ern." Sie glaubt: "Da schwingt auch viel Sehnsucht mit nach einer Zeit, in der man sich voll ausleben konnte." Mit Cabarets, ausschweifendem Nachtleben und Stars, die noch wirklich Stars sind. Roxie Hart, die sie auf der Bühne gibt, träumt davon, ein Star zu werden.

Sie auch? "Ich würde lügen, wenn ich bestreite, dass mir das nicht schmeichelt". Aber: "Ich bin eher ein häuslicher Typ und ich muss nicht in der ganzen Welt gekannt werden." Da lebt sie lieber unerkannt. In Berlin.

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