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Nena: Schön? Schön!

Das Nena-Universum: 50 Jahre alt, vier Kinder, ein tragischer Schicksalsschlag, 16 Preise, eine Schule, einen Werbevertrag, 99 Luftballons, 13 Studio- und drei Live-Alben, Duette mit Kim Wilde und Rolf Zuckowski, Oberarme wie Michelle Obama. Und nun live in der O2-World. Nena liebt alle – auch bei ihrem Konzert in Berlin.

Die O2-World ist pickepackevoll, Familien stehen mit Leuchtstäben, Affenschaukelzöpfen und „Rock Angel“-Jacken an der Bühne, kauern mit durchgedrücktem Rücken auf dem Sitzrand, um nichts zu verpassen. Dann kommt sie endlich, trägt eine beeindruckende Glitzerjeans, dazu Lederjacke mit Glitzertop darunter, hat diesen dunklen Nena-Bob, der immer gut nachgeschnitten werden muss. Aber Nena überlässt bestimmt nicht viel dem Zufall, auch wenn sie in Interviews zuweilen mystiziert, à la „dieses Wort macht irgendwas mit mir“. Sie legt gleich mit „Made in Germany“ los, so heißen auch das 2009er Album und die Tour, reimt „Germany“ auf „ich verlass dich nie“, „hier gehör ich hin / weil ich hier am liebsten bin“, lacht ihr Lachen, rennt herum, atmet nenamäßig hörbar ein, tanzt über den großen Onkel und schlenkert mit den Armen wie Mieze von „Mia“ – nein, stimmt nicht: umgekehrt.

Es hat etwas von Eurovison Song Contest, oder zumindest DSDS, wie sie da so hingebungsvoll deutschrockt und -poppt und groovy Deppentechno-Beats hineinmischt, begleitet von einer hingebungsvollen Band, alle in Turnschuhen, auch der Backgroundsänger, der aussieht wie Paddy Kelly, als er noch lange Haare hatte: Das ist Nenas Sohn Saskias. Ihre Tochter Larissa steht ebenfalls auf der hinteren Bühne und singt bei Mama mit, „die Gegenwart ist ewig / Vergängliches vergeht / wer sterben will muss leben / wer leben will besteht“ etwa, oder „ich glaub du bist mein Engel / ich leih mir deine Flügel“, oder „heute komm ich / heute geh ich auch“, sowie „ich denk an dich / und lass ihn fliegen“, und natürlich auch „ich hab heute nichts versäumt / denn ich hab nur von dir geträumt“. Es scheint also irgendwie um das Große, Ganze, Universelle zu gehen, um Liebe, die einfach „ist“, um’s Sein. Um Glückskekszettelphilosophie, um Ehrlichkeit und darum, mit einer Band voller Freunde zu spielen, „Ich liebe euch!“ zu sagen, die guten Vibes aus dem Publikum aufzunehmen und zurückzugeben.

Und wenn sich ein grauer Gedanke einschleicht, ertappt man sich dabei, wie man unwillkürlich hinter irgendeinem Mäuschen mit Fotohandy Deckung sucht, denn Frau Nena Kerner ist zuzutrauen, dass sie den grauen Gedanken erfühlt, das Konzert abbricht und einen kurzerhand esoterisch empört rausschmeißt, weil sie schließlich Sonne evozieren möchte, aushilfsweise auch Feuerzeuge, und Menschen, die sich lieb haben.

„Hey, ich find’s echt schön, Leben zu teilen. Und das mein ich auch so“, sagt sie kurz vor Konzertschluss, und ist dabei unsere Gianna Nannini, unsere Pink, unsere Bettina Wegner, unsere Madonna und unsere Bruce Springsteen in Personalunion. Das soll ihr erst mal einer nachmachen. Oder vielleicht lieber doch nicht.

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