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Kultur: Nero trägt Borsalino

Gönnerhaft erklärt ein Herr in den besten Jahren im Publikum seiner Frau, zu Monteverdis Zeit sei der Instrumentenbau eben noch nicht so gut entwickelt gewesen, man habe damals noch keine Geigen gekannt.Der Herr irrt.

Gönnerhaft erklärt ein Herr in den besten Jahren im Publikum seiner Frau, zu Monteverdis Zeit sei der Instrumentenbau eben noch nicht so gut entwickelt gewesen, man habe damals noch keine Geigen gekannt.Der Herr irrt.Gerade "Die Krönung der Poppea""ist berühmt als erste Oper mit ausladenden Streicherpassagen.Daß in Rheinsberg keine Geigen zu hören sind, liegt an Frank Böhmes Neuinstrumentierung.Monteverdis späte Opern sind nach heutigen Maßstäben nur bruchstückhaft überliefert, aus den Handschriften kennen wir fast nur die Singstimme und den begleitenden Baß sowie kleine Orchesterstücke.Deshalb muß wer heute eine Monteverdi-Oper aufführen will, sie neu erfinden.

Nikolaus Harnoncourt und René Jacobs setzten dabei auf historisierende Klänge.Frank Böhme wählte für seine Rheinsberger Fassung etwa vierzehn moderne Instrumente, die von den acht Musikern des Philharmonic Art Ensemble unter Leitung von Ingo Ingensand bedient werden - darunter Trompete, Flügelhorn, E-Gitarre, Synthesizer sowie die ganze Saxophonfamilie und außer dem Kontrabaß keine Streicher.Es entsteht ein weitgehend konturloser Klangteppich, aus dem nur Flügelhorn und Saxophon mit nervtötender Regelmäßigkeit herausragen.Manchmal macht Böhme klangliche Anleihen bei Michael Nyman und Philipp Glass, verpaßt Monteverdi gar einen schmalzigen Groove àla Sinatra.Von Klangfarbenreichtum, Klangsinnlichkeit gar, kann allerdings keine Rede sein.

In seiner von der Hochschule Graz übernommenen Inszenierung zeigt Regisseur Christian Pöppelreiter die zynische "Krönung der Poppea" als buntes Maskenspiel.Auf einer kleinen, weißen, stark angeschrägten Spielfläche wird uns ein Theaterstück vorgeführt.Alle Gesichter sind zu starren, weißen Masken geschminkt, die Akteure tragen Leinenanzüge und Borsalino wie in Mafiafilmen der dreißiger Jahre.Kaiser Nero will seine Frau Ottavia loswerden, um sich mit Poppea zu vergnügen, die nur ein Ziel kennt, nämlich den Kaiserthron.Ottavia, Noch-Ehefrau Neros, will Poppea durch deren Noch-Ehemann Ottone umbringen lassen, das Komplott wird aber entdeckt.Nero hat endlich einen Grund, die alte Frau zu verstoßen und die neue zu heiraten.Auf dem Weg zu diesem Happy End muß der Philosoph Seneca den Freitod wählen, und auch sonst bleiben allerlei Menschen und moralische Grundsätze auf der Strecke.

Wenn die Figuren ihre Intrigen spinnen, ihr Gegenüber ins Netz locken wollen, findet Pöppelreiter zu überzeugenden Lösungen.Da gibt es etwa einen Tango, in dem Ottavia Ottone überzeugt, daß er seine Frau umbringen will, oder eine Szene, in der Poppea der Amme ihre Ambitionen auf den Kaiserthron beichtet.Auch die wechselweise Abhängigkeit zwischen Nero und Poppea wird virtuos choreographiert als Tanz des Begehrens.All das wird bewacht von der aufmerksamen Amme, die den neuesten Stand der Intrigen kommentiert.In den Massenszenen fällt die Spannung hingegen deutlich ab.Der Chor darf sich mal die Schuhe zubinden, mal demonstrativ den Rücken zeigen, mal ein Festbankett umkreisen, ohne daß recht deutlich würde, warum.Insgesamt entsteht der Eindruck einer ambitionierten Hochschulaufführung: Die Geschichte wird ordentlich erzählt, neue Erkenntnisse sucht der Zuschauer freilich vergebens.Der ungeheure Zynismus von Monteverdis Oper wird vom zeitlosen Ungefähr erstickt.

Die vorhersehbare Inszenierung, die verunglückte Instrumentierung geben allerdings genug Raum, sich auf die ausführenden Stimmen zu konzentrieren.Zwei herausragende Sänger sind zu annoncieren: Der schwedische Bariton Jens Malmkvist und die kanadische Sopranistin Allyson McHardy.Malmkvist hat in Hochschulaufführungen bereits Figaro, Leporello, Scarpia und Wotan gesungen und sein Seneca profitiert offenbar von den Erfahrungen.Er hat Volumen, Klangfarbe, Charakter.Ihm stehen tragfähige Piani ebenso zur Verfügung wie der große Klageton, ohne in kraftmeierische Gesten zu verfallen.Sopranistin Allyson McHardy rührt vor allem im Abschied der Ottavia, wenn die Ex-Kaiserin einsehen muß, daß ihre Intrigen sie nicht ans Ziel geführt haben.Vorher hatte sie schon alle Tricks und Kniffe der geborenen Verführerin gezeigt, eine fast kokette Süße, bei der die Gefährlichkeit im Hintergrund immer mitschwingt.Helene Ranada als Amme Arnalta amüsierte in ihrer großen Triumphszene einer zu Einfluß gekommenen Kleinbürgerin, auch sie zeigte sich bemerkenswert wandlungsfähig zwischen lyrischem Schlaflied für Poppea und keifender Denunziation.Eher ein Versprechen auf noch kommende Zeiten gaben der Countertenor Carl Strygg (Ottone) und der Tenor Frederik Strid (Nero): Schöne Stimmen, technisch noch entwicklungsfähig.Das übrige Ensemble bleibt unauffällig, sorgt jedoch für den angemessenen Hintergrund, auf dem sich die herausragenden Stimmen entfalten können.Ein schöner Erfolg für die krisengeschüttelte Sommeroper.

Wieder am 11., 12., 14., 15.August.Karten sind nur noch für die Aufführungen am 11.und 12.August im Angebot

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