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Kultur: Netze aus Staub

Was zeigen Galerien im Rheinland? Ein Rundgang.

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Schneeweiß sind die miteinander vernähten Herrenunterhosen, aus denen Dach und Wände eines kleinen, aber begehbaren Häuschens bestehen. Ein außen aufgestellter Sitzplatz macht es zu einer Art Beichtstuhl. Die anderen Objekte und Installationen (500 - 9800 €) der in Den Haag lebenden Künstlerin Birgit Verwer haben etwas Verstörendes. Zwei Kommunionsbilder zeigen ein Mädchen und einen Jungen mit maskierten Gesichtern, an der Stelle der Augen sitzen Löcher. Was haben die beiden gesehen? Die niederländische Künstlerin, die bei Sebastian Brandl in Köln ausstellt (Moltkestr. 81, bis 27.10.), beschäftigt sich mit den Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche.

In Gent arbeitet Peter Buggenhout, dessen mysteriöse Skulpturen das Düsseldorfer Stammhaus der Galerie Konrad Fischer zum zweiten Mal zeigt (Platanenstraße 7, bis 20.10.). Die mit schwarzem Staub überzogenen, undefinierbaren Kunststoffgebilde der Serie „The Blind Leading the Blind“ wirken wie autonom entstandene Objekte, die in den Tiefen industrieller Produktionsstätten gefunden wurden. Dasselbe gilt für die farbigeren Materialkompressionen der „Gorgo“ genannten Objekte (30 000 - 45 000 €). Beide Ausstellungen repräsentieren ein Spezifikum der rheinischen Kunstszene: ihr traditionell enger kultureller Austausch mit den westlichen Nachbarn. Für diesen grenzüberschreitenden Dialog engagieren sich auch Galeriegemeinschaften, wie jene elf jungen Kölner Galerien, die zuletzt im Januar unter dem Label „Cologne Contemporaries“ mit sechs Brüsseler Galerien kooperierten.

Eine besondere Rolle spielen am Rhein nach wie vor Galeristen, die selbst einen künstlerischen Hintergrund haben. Beispiele finden sich in Köln von Thomas Rehbein über Sven Hammelehle bis Alexander Warhus. In Düsseldorf stehen für diesen konstruktiven Seitenwechsel Petra Rinck, Linn Lühn und Daniela Steinfeld. Relevant ist dabei nicht nur die Nähe zur eigenen Peergroup unter Künstlern, Sammlern und Kuratoren, sondern auch eine besondere Begabung in der Vermittlung. Ein Beispiel liefert Linn Lühn, die mit Sebastian Ludwig aktuell einen Maler vorstellt, der wie sie an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert hat und sich konzeptuell mit dem Medium auseinandersetzt. Entsprechend eloquent spricht die ehemalige Studentin von Gerhard Merz über Ludwigs halb abstrakte, halb figurative Bilder, die sich jedem schnellen visuellen Zugriff entziehen (Birkenstraße 43, bis 20.10.).

Linn Lühn unterstützt, neben der Galerie Sies + Höke und Sammlerin Julia Stoschek den Ausstellungsraum „Volker Bradtke“ (Birkenstraße 128). Dahinter stehen drei Studenten der Kunstakademie Düsseldorf, die mit Ausstellungen etablierter Künstler wie Keren Cytter oder Ian Wallace kaum noch als Off-Raum gelten können. So überrascht es auch nicht, dass man hier Galeristen wie Christian Nagel und Daniel Hug als Direktor der Art Cologne treffen kann.

Im September zog die Galeristin Natalia Tkachev mit ihrer Galerie Blanket aus Vancouver an den Rhein, wo sie neben Sebastian Brandl und Schmidt & Handrup dritte Mieterin eines neuen Galeriehauses auf der Kölner Moltkestraße wurde. Sie zeigt unter anderem Jeremy Shaw, der bereits Teil der letzten Ausstellung von Julia Stoschek war. Nicht weniger Aufmerksamkeit erregte vor einem Jahr die Eröffnung der Galerie von Max Mayer in Düsseldorf, der noch bis zum 3. November den in Toronto ansässigen Künstler Luis Jacob zeigt. In diesen Kreisen wandelt sich die wohlwollende Kooperation beider Städte in echte Vernetzung. Die Wege zwischen Köln und Düsseldorf sind kürzer geworden.

Darüber hinaus ist das Rheinland immer noch eine Heimstätte für ausgeprägte Individualisten unter den Galeristen, denen man nicht unbedingt auf Messen begegnet. Wer sich für die Kunst der abstrakten Zeichnung begeistert, ist in der Kölner Südstadt bei der auf Zeichnungen spezialisierten Galerie von Werner Klein am idealen Ort (Volksgartenstraße 10). Und wer keine Angst vor leidenschaftlicher Begeisterung für Kunst hat, sollte im nahen Belgischen Viertel der Galerie Teapot einen Besuch abstatten, die aktuell eigentümliche Diagramme des New Yorkers Ward Shelley zeigt (Herwarthstraße 3, bis 19.10.). Thomas W. Kuhn

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