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Kultur: Neue Familienpolitik: Warum Familienpolitik und Alterssicherung nicht getrennt gesehen werden dürfen

Wer nach dem Aufsehen erregenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Pflegeversicherung den Generationenvertrag für tot erklärt, sollte einen Moment darüber nachdenken, dass ohne Solidarität zwischen den Generationen menschliches Leben nicht möglich ist. Ob staatlich organisiert oder privat, ob umlagefinanziert oder kapitalgedeckt - an der Tatsache, dass die Menschen in ihrer aktiven Lebenszeit Verantwortung für Kinder und für Alte tragen, ist nicht zu rütteln.

Wer nach dem Aufsehen erregenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Pflegeversicherung den Generationenvertrag für tot erklärt, sollte einen Moment darüber nachdenken, dass ohne Solidarität zwischen den Generationen menschliches Leben nicht möglich ist. Ob staatlich organisiert oder privat, ob umlagefinanziert oder kapitalgedeckt - an der Tatsache, dass die Menschen in ihrer aktiven Lebenszeit Verantwortung für Kinder und für Alte tragen, ist nicht zu rütteln.

In früheren Zeiten war das Aufziehen von Kindern Vorsorge für das eigene Alter. Kinderlosigkeit bedeutete meistens Armut im Alter. Damit die Jungen rechtzeitig lernten, heißt es schon im vierten Gebot: "Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass du lange lebest." Dieser individuelle Zusammenhang wurde mit der Rentenversicherung auf die staatlich verfasste Gesellschaft übertragen. Daraus wuchs soziale Sicherheit, weil die Abhängigkeit von persönlichem Lebensverlauf und Schicksalsschlägen verringert wurde. Als der Vater der dynamischen Rente Hermann Schreiber 1957 darauf hinwies, dass ein Generationenvertrag in der Rentenversicherung drei und nicht nur zwei Generationen umfasse, also neben Beitragszahlern und Rentnern eben auch Kinder, hielt nicht nur Konrad Adenauer das für überflüssig, weil, wie er meinte, "die Leute immer Kinder haben". Nachdem diese Voraussetzung heute als Regelfall nicht mehr gegeben ist, kann sich die Rentenversicherung nicht mehr auf zwei Generationen beziehen. Das ist der Kern der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, und darin hat das Gericht Recht.

Die amtlichen Sozialpolitiker aller Parteien haben sich lange dagegen gewehrt, Familienpolitik und Alterssicherung im Zusammenhang zu sehen. Gewiss steckt dahinter auch die Frage, wie viel in unseren Zeiten Sache des Staates sein soll und wie viel Verantwortung dem Einzelnen bleibt? Dass der Staat nicht mehr vorschreibt, wie die Menschen ihr Leben gestalten sollen, gehört zu den großen Errungenschaften unseres pluralistischen Freiheitsverständnisses.

Aber die Aufteilung von Freiheit und Verantwortung dergestalt, dass jeder Einzelne frei entscheidet, der Staat oder die Allgemeinheit aber die Konsequenzen aller Entscheidungen übernehmen, die kann nicht funktionieren. Unsere Staatsquote, das heißt der Anteil am Volkseinkommen, den die öffentliche Hand einschließlich der Sozialversicherung in Anspruch nimmt, liegt in der Nähe von 50 Prozent. Da Kinder nicht mehr wie früher individuelle, sondern heute viel mehr gemeinsame Altersvorsorge sind, müssen sie in der öffentlich organisierten Altersvorsorge berücksichtigt werden. Und weil das Volkseinkommenvon den Menschen auch überwiegend in ihrer aktiven Lebenszeit erwirtschaftet wird, müssen Kinder bei der Verteilung der Finanzierungslasten eine entsprechende Rolle spielen. Über die Einzelheiten wird man streiten müssen, vor allem über die Frage, wie viel privat und wie viel kollektiv organisiert werden soll. Da ist man dann bei der Familie. Der Bundeskanzler will den Familienbegriff "erweitern": "Familie ist da, wo Kinder sind." In Wahrheit löst er ihn damit auf. Im Sinne der Generationensolidarität gehörten auch die Großeltern zur Familie - jetzt will Schröder nicht einmal mehr die Eltern berücksichtigen. Dabei braucht unsere Gesellschaft nicht nur Kinder, sondern Kinder brauchen eben auch Eltern. Am besten lebenslang. So hängen Ehe und Familie zusammen. Nicht immer gelingt das; aber die Tatsache, dass jeder im Leben immer wieder auch scheitert, enthebt uns nicht unserer Verantwortung. Und diese Verantwortung hat jeder für sich selbst, weil keiner am Ende ohne Generationensolidarität leben kann.

Soweit die Menschen das individuell organisieren, heißt das Familie, und das ist die freiheitlichere Lösung im Vergleich zu einem Abschieben der Verantwortung für Junge und Alte auf das Kollektiv. Stärkung der Familie ist deshalb die bessere Antwort auf die Probleme in unserem Generationenvertrag. Familie nimmt Eltern und Kinder füreinander und gegenseitig in die Pflicht, und der Gesetzgeber hat diese Leistung im Sinne des Subsidiaritätsprinzips für die Allgemeinheit anzuerkennen.

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