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Neue Galerie: Adeles Glanz in New York

Sammler und Sinnlichkeit: Ronald Lauder zeigt in seinem New Yorker Privatmuseum "Neue Galerie" den ganzen Klimt.

Der Geschenkshop der „Neuen Galerie“ an der New Yorker Fifth Avenue ist auffallend aufgeräumt. Die Literatur zum Gegenstand des privaten Museums, der modernen deutschen und österreichischen Kunst, ist in Regale einsortiert, die Kataloge sind um die Kassentheke drapiert. Nur ein Poster steht auffallend unordentlich mitten im Raum auf dem Boden. Es ist eine Reproduktion des Klimt-Porträts „Adele Bloch Bauer I“. Die Betreiber der Neuen Galerie wollen offenkundig, dass es den Besuchern ins Auge springt, auch wenn das die gepflegte Gediegenheit der Gründerzeitvilla an der teuersten New Yorker Immobilienmeile stört. Man ist stolz auf das 1907 entstandene Bild, die wertvollste Akquisition des Museumsbesitzers Ronald Lauder. Der Kosmetik erbe zahlte vor gut einem Jahr den Rekordpreis von 135 Millionen Dollar an Maria Altmann, die Erbin der porträtierten Adele Bloch Bauer. Nun hat der stolze Neubesitzer rund um dieses Bild in den Räumen seines kleinen, feinen Museums eine Ausstellung arrangiert.

Als „umfassendste Klimt-Werkschau aller Zeiten außerhalb Österreichs“ bezeichnet Lauder die Show, den Kern bilden jedoch lediglich acht Gemälde. Unbestrittener Star ist die Adele, die im ersten Stock das Hauses in ihrer ganzen goldenen Pracht unter dem Stuck der Gründerzeitvilla hängt. Dort hing sie im vergangenen Jahr schon einmal, damals umgeben von Werken der Wiener Galerie Belvedere, wo sie in den letzten 50 Jahren beheimatet war. Neben „Adele“ waren in New York vier weitere Klimts zu sehen, die Maria Altmann vom österreichischen Staat als Nazibeutekunst erklagt hatte.

Damals war es eine Abschiedsschau, denn kurz zuvor hatte Altmann alle fünf Bilder verkauft. Die vier anderen sind seither im Fundus anonymer Sammler verschwunden, und man weiß nicht, ob sie je wieder öffentlich zu sehen sind. Zu gerne hätte Lauder auch die vier anderen präsentiert: die „Adele Bloch Bauer II“, den „Birkenwald“, den „Apfelbaum I“ und die „Häuser in Unterach am Attersee“. Schließlich ist Klimt neben Egon Schiele der zentrale Künstler des zwischen den Kunstpalästen Metropolitan und Guggenheim Museum platzierten Spezialinstituts. Dafür allerdings hätte Lauder bei den New Yorker Herbstauktionen weitere 191 Millionen Dollar ausgeben müssen. Das überschritt selbst die Schmerzgrenze des auf 2,7 Milliarden geschätzten Geschäftsmanns. Das Verschwinden der vier anderen Bilder in den Safes unbekannter Investoren bedeutet für die Kunstwelt einen herben Verlust. Die Bitte der Erbin an die Käufer, sie doch der Öffentlichkeit zugängig zu halten, blieb bislang ungehört.

Zu den Beständen der Neuen Galerie gehören neben der goldenen Adele unter anderem der „Beethoven Fries“, der „schwarze Federhut“, die „Tänzerin“ und das „Haus in Weissenbach am Attersee“. Insgesamt 120 Bilder und Zeichnungen von Klimt sind an der Fifth Avenue zu sehen – der gesamte Bestand an Klimts, den Lauder besitzt, sowie die vollständige Sammlung seines verstorbenen Partners Serge Sabarsky.

Gerade weil er seine Kunstkäufe der Öffentlichkeit nicht vorenthält, ärgert es den Vorsitzenden des World Jewish Council umso mehr, dass ihm insbesondere in Deutschland und Österreich doppeltes Spiel vorgeworfen wird: einerseits ein Eintreten für Restitution, andererseits ein öffentliches Abziehen der Kunst. „Ich bin einer der offensten Sammler, die es gibt“, reagiert er sichtlich ungehalten auf die mit der Ausstellungseröffnung erneut geäußerte Kritik.

Lauder hatte als Gutachter dazu beigetragen, dass 1998 ein multinationales Abkommen zur Rückgabe von Naziraubkunst an die Nachfahren von NS-Opfern unterzeichnet wurde. Das Abkommen ermöglichte letztlich auch ihm den Kauf der goldenen Adele sowie der „Berliner Straßenszene“ von Ernst Ludwig Kirchner. Problematisch findet er das nicht: „Wo soll da ein Interessenkonflikt sein? Das ist kein Konflikt“, antwortet er gereizt auf die Frage, ob er seine Sammelleidenschaft und sein politisches Engagement für die Restitution auseinanderhalten könne. Lauder sieht keinen Grund, das eine vom anderen zu trennen. Für ihn sind die Klimts und Kirchners an den Wänden der Neuen Galerie genau da, wo sie hingehören. Sowohl juristisch als auch moralisch.

Neue Galerie New York, bis 30. Juni.

Sebastian Moll

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