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Kultur: Neuer Architekturführer für das historische Ensemble

Potsdam ist jedem Liebhaber der (Stadt)Baukultur ein Begriff. Scheinbar unzählige Kleinode unserer Tradition, ob nun europäisch oder preußisch, lassen sich hier finden.

Potsdam ist jedem Liebhaber der (Stadt)Baukultur ein Begriff. Scheinbar unzählige Kleinode unserer Tradition, ob nun europäisch oder preußisch, lassen sich hier finden. Vieles davon auch recht unvermutet: Weit weniger bekannt als sein Namensvetter, der Alte Markt, weist der unmittelbar benachbarte Neue Markt gleichwohl ähnlich ausgeprägte Spuren einer langen und ehrwürdigen Stadthistorie auf. Zwar war jener - bis zu den Kriegszerstörungen - von so imposanten wie kunstgeschichtlich bedeutsamen Bauten wie beispielsweise Nicolai-Kirche und Stadtschloss gesäumt, aber stadträumlich stellt dieser heute das wohl gelungenere Ensemble dar. Kundig führt die Architekturhistorikerin Karin Carmen Jung durch ein Gelände, das nicht unbedingt als bekannt vorausgesetzt werden kann.

Es ist seine Stellung in einer ganzen Platzfolge, die den spezifischen Charakter und Charme des Neuen Marktes ausmachen. Als Teil der "Kurfürstlichen Freiheit" im 17. Jahrhundert unter dem Großen Kurfürsten entstanden, später auf Kosten König Friedrichs II. mit Bürgerhäusern "aufgefüllt", liegt er als weitgehend intakter Kern inmitten des Quartiers und "strahlt" aus: zum Kutschstallhof nach Westen sowie zum Acht-Ecken-Platz und Alten Markt im Osten. Der von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff gestaltete Platz mit seiner barocken Architektur (von Baumeistern wie Jan Boumann, Georg Christian Unger oder Johann Georg Büring) ist in der heutigen Altstadt Potsdams der einzige noch fast vollständig erhaltene Stadtplatz des 18. Jahrhunderts. Seine Fassung kann demnach auf einen über zweihundertjährigen Bestand zurückblicken. Die Regierung der DDR trug dieser Bedeutung Rechnung, indem sie das Altstadt-Quartier im Oktober 1979 auf ihrer zentralen Denkmalliste eintragen hat.

Vor diesem formalen Akt gab es indes Würdigungen anderer Art; als einer von vielen erwies der Literat Ludwig Sternaux dem Platz bereits in den 30er Jahren seine Reverenz: "Da ist der Neue Markt hinterm Lustgarten-Marstall, ein schmaler Platz, der sich in zwei Straßen, die auf ihn münden, nur dadurch verrät, daß er in beider Ende als Blickfang auffallende Bauten stellt: hier eine der Palastfassaden nach italienischen Motiven, mit denen der große Friedrich seine Residenz zu dekorieren beliebte, dort ein riesiges Säulenportal, dessen Attika eine barock bewegte Pferdegruppe gen Himmel hebt." Reich bebildert durch historische Fotos, Pläne und Farbtafeln veranschaulicht das vorliegende Buch, dass der Neue Markt ein Herzstück der Potsdamer Altstadt ist, weil es in dieser historischen Vollständigkeit nichts Vergleichbares mehr gibt - auch nicht am Alten Markt. Herausgekommen ist eine so profunde wie lesenswerte Monographie, die, obgleich recht fachspezifisch angelegt, doch auch breitere Leserkreise zu erschließen weiß. Zumal, weil sie zugleich einen zwar indirekten, aber eindringlichen Appell darstellt, um die dahindämmernden, noch nicht sanierten Häuser vor dem Verfall zu retten und den Platz sowie seine Bauten mit zeitgemäßem Leben zu füllen.Potsdam. Am Neuen Markt - Ereignisgeschichte, Städtebau, Architektur von Karin Carmen Jung, Gebr. Mann Verlag, Berlin 1999, 184 S., mit 234 Abb., geb. 138 DM.

Robert Kaltenbrunner

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