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Michael Frayn

© picture alliance / dpa

Neuer Roman: Irrlicht der Ägäis

Michael Frayn hat einen brillanten englisch-griechischen Verwechslungsroman geschrieben: „Willkommen auf Skios“.

Das ist ein hinreißend amüsantes Buch, nicht nur als Ferienlektüre. „Willkommen auf Skios“ spielt im Sommer auf der gleichnamigen Insel in der Ägäis. Aber der Trick und Witz des britischen Romanciers Michael Frayn schafft sich hier zugleich eine Kunstwelt, die alle mögliche Realität zur höheren Kenntlichkeit entstellt. Frayns Skios ist ein griechisches Eiland, das derart zur Bühne wird wie Shakespeares Illyrien oder ein Science- Fiction-Archipel. Wobei wunderbarerweise nie von der aktuellen griechischen Krise die Rede ist, die Welt der Täuschungen und Spekulationen, der Bankrotteure und Finanzjongleure aber immer gegenwärtig bleibt.

Tatsächlich geht es auch um Sciences, um Wissenschaften (nicht nur der Natur, auch des Übernatürlichen sowie des Allzumenschlichen) – und um die Macht der Fiktion, um die Kraft der Illusion.

Auf dem Flughafen von Skios landen zur nämlichen Zeit Mr. Oliver Fox und Dr. Norman Wilfred. Die beiden Angelsachsen könnten nicht verschiedener sein: Fox ein schlanker, blond gelockter, beruflich und überhaupt schwer festzulegender Abenteurer. Dagegen Dr. Wilfred ein früh erkahlter, zur körperlichen und geistigen Übergewichtigkeit neigender Wissenschaftsberater und Vortragsreisender, eine Koryphäe der „Szentometrie“. Oder anders gesagt: ein eloquenter Konjunkturritter des globalen Talkshow-Medien-Kongress-Betriebs.

Auf den ersten Blick könnten Fox und Wilfred eigentlich nie verwechselt werden. Doch Michael Frayn schafft das Kunststück fast mühelos. Der 79-jährige Londoner Erfolgsautor ist bis heute ein quirrliger, brillanter Geist. Einst Reporter des „Guardian“, hat er mit der Farce „Der nackte Wahnsinn“, dem Heisenberg-Physik-Kriegsdrama „Kopenhagen“ oder „Demokratie“, einem Stück über Willy Brandt, das Theater weltweit erobert. Und seine Romane wie zuletzt „Das verschollene Bild“ und der subtile Thriller „Das Spionagespiel“ gehören zum Besten der neueren Literatur.

Hier sind wir nun in der intelligentesten Unterhaltungsliteratur. Mit immer neuen Volten und haarsträubenden Wendungen stürzt Frayn seine Figuren in eine Slapstick-Verwechslungskomödie.

Dr. Wilfred soll einen Vortrag über „Innovation und Governance“ bei der Jahrestagung der in einem luxuriösen Resort auf Skios angesiedelten amerikanischen „Fred-Toppler“-Stiftung halten. Doch Oliver Fox, ein moderner Tartuffe, schlüpft in die Rolle des Wissenschaftlers, ist als charmant verträumter Hochstapler (halb) wider Willen freilich mehr als von jeder Wissenschaft von den Reizen der jungen Stiftungsmanagerin Nikki Hook angezogen. Während Dr. Wilfred eher willenlos auf peinliche Abwege sowie in den Bann einiger sehr unverhofft auftauchender Liebhaberinnen Olivers gerät. Woran auf wundersame Weise auch zwei griechische Taxifahrer mit der Dauerfrage „Foxoliva?“ ihren Anteil haben – nebst dubiosen mittelmeerischen Magnaten, russischen Oligarchen, deutschen Esoterikern oder angloamerikanischen Wissenschaftsgläubigen. Wie das alles explodiert (natürlich anders als man denkt), das ergibt in der glänzenden Übersetzung von Anette Grube auch auf Deutsch ein reines Lesevergnügen. Peter von Becker

Michael Frayn: Willkommen auf Skios. Roman. Aus dem Englischen von Anette Grube. Hanser Verlag, München 2012. 285 Seiten, 17, 90 €. – Michael Frayn stellt sein Buch am Mittwoch in der Berliner Autorenbuchhandlung vor, es liest der Schauspieler Felix von Manteuffel (Savignyplatz/Else-Ury-Bogen, 20 Uhr).

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