zum Hauptinhalt
Der bosnische Musiker Goran Bregović.

© Nebojša Babić

Neues Album von Goran Bregović: Die Wehmut der Violinen

Goran Bregović mischt auf seinem Album „Three Letters From Sarajevo“ Balkan-Folk mit traditionellen Klängen anderer Regionen.

Goran  Bregović komponiert Weltmusik, die ein breites Publikumsspektrum anspricht. Sie passt sowohl zum traditionellen Trompetenfestival im serbischen Guča als auch in festliche europäische Konzertsäle. Diese Beliebtheit hat sich der 67-jährige Gitarrist und Sänger, der in Jugoslawien erst mit der Rockband Bijelo Dugme und später als Soundtrack- Komponist erfolgreich war, dadurch erarbeitet, dass er seine Musik bewusst auf die Stilistik einer zügellosen Barmusik reduziert hat – was ihr eine karnevaleske Anmutung verleiht.

Verglichen etwa mit dem deutlich vielschichtigeren Ansatz eines Boris Kovač wird klar, dass  Bregović vor allem auf die primitiven Aspekte der traditionellen Musik setzt. Dadurch hat seine Musik eine auto-koloniale Note, denn er stellt den Balkan vor allem als wild, romantisch-blutrünstig und erfüllt von Ethno-Kitsch dar. Natürlich gefällt vielen dieser Kitsch insgeheim, weil die Exotisierung des Balkans ein praktischer Deckmantel für Verständnislosigkeit ist.

Goran Bregović geht auf Nummer sicher

Auf seinem gerade erschienenen Album „Three Letters From Sarajevo“ breitet Goran  Bregović nun ein weiteres Mal seine typische Mischung aus alten balkanischen Geschichten, Melodien der Romamusik sowie spanischen Einflüssen aus. Hinzu kommt ein Hauch von Balkan-Pop. Einige der elf Titel erinnern überdies an die Musik, die Bregović für Emir Kusturicas Film „Arizona Dream“ (1993) geschrieben hat. Er geht also auf Nummer sicher, und präsentiert genau das, was das Ohr des durchschnittlichen balkanischen Folkmusikkonsumenten gewohnt ist.

„Three Letters From Sarajevo“ beginnt mit dem Stück „Jalija“, einer kurzen, schnellen Witzelei mit Elementen des traditionellen bosnisch-herzegowinischen Gang-Liedes, die in das Thema des Albums einführt. Bregović, der als Sohn einer Serbin und eines Kroaten in der bosnischen Hauptstadt zur Welt kam und dort inzwischen auch wieder einen Wohnsitz hat, will die multikulturelle, multireligiöse Lebensrealität der Stadt spiegeln.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

„Jalija“ bildet zusammen mit dem Abschlussstück „Made In Bosnia“, das im Grunde nur das Thema des ersten Liedes variiert, den Rahmen für Goran Bregovićs Bemühungen, der Welt die komplizierte Geschichte Sarajevos vorzustellen. Allerdings geht das konzeptuell nicht ganz auf. Denn neben den erwähnten beiden Liedern befassen sich nur noch „Christian Letter“, „Muslim Letter“ und „Jewish Letter“ mit diesem Thema. Es handelt sich dabei um Instrumentalstücke, in denen jeweils eine Violine die Führungsrolle übernimmt.

Gäste aus Spanien, Israel und Algerien sind dabei

Sie stellt gleichsam die Verbindung zwischen den kulturellen Identitäten der Stadt her. Ihr melodisch-melancholischer Klang beschwört zudem eine nostalgische Atmosphäre herauf, weshalb man zu dem Schluss kommen kann, dass Goran Bregović in diesen Liedern zurückschaut auf ein vergangenes, längst verschwundenes Sarajevo. Die restlichen Stücke sind geprägt von einer Mischung der schon erwähnten Einflüsse, wobei Bregović den balkanischen Rahmen seiner Musik um traditionelle Elemente anderer Völker erweitert. So wirken etwa bei je zwei Songs der algerische Rai-Rocker Rachid Taha und die spanische Sängerin Bebe mit. Beide sind zwar noch erkennbar, werden jedoch sehr tief in Bregovićs Klangkosmos hineingezogen. Es scheint, als wolle er sagen, dass seine Musik durch den Trend zur Balkanisierung Europas in verschiedenen Ländern verständlich und hörenswert geworden ist. Alle möchten schließlich etwas Zügellosigkeit und Spaß. Und den gibt er ihnen.

Das zeigt der zweite Teil von „Three Letters From Sarajevo“, der geprägt ist von Melodien im typischen Bregović-Stil. Dabei wirken Gastauftritte wie der des israelischen Folk-Rockers Asaf Avidan bei dem Song „Beila Leila“ als eine Erfrischung. Sie zeigen, dass Goran Bregović durchaus in der Lage ist, andersartige Musik zu schaffen, aber dass er es letztlich doch bevorzugt, die Dinge als leicht verständlichen Kitsch darzustellen. Allerdings muss man zugeben, dass er ein Meister darin ist, diesen Schrott der balkanischen Folkmusik in alle Welt zu verkaufen.

Goran Bregović: „Three Letters From Sarajevo“ erscheint bei Mercury.

Djordje Krajišnik von der Zeitung „Oslobodjenje“ aus Sarajevo nimmt am Austauschprogramm „Nahaufnahme“ des Goethe Instituts teil und ist im Oktober Gast der Kulturredaktion.

Djordje Krajišnik

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false