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Wieder aufgetaucht. Ella Yelich-O’Connor alias Lorde, 20.

© Universal

Neues Album von Lorde: Hausgemachtes Dynamit

Nach der Trennung kommt die Party: Die neuseeländische Sängerin Lorde und ihr zweites Album „Melodrama“.

Der Pop liebt Wunderkinder. Ob Stevie Wonder, Michael Jackson oder in jüngster Zeit Adele, Taylor Swift und Jake Bugg – wenn der Stern eines sehr jungen Menschen am Firmament aufblitzt, potenzieren sich Begeisterung und Bewunderung in der ohnehin daueraufgeregten Branche.

Als vor vier Jahren die ersten Songs und schließlich das Debütalbum einer 16-jährigen Neuseeländerin erschienen, war es mal wieder so weit: ein Hype und hundert Hymnen. Alle liebten Lorde, deren Platte „Pure Heroine“ sich über vier Millionen Mal verkaufte und in mehr als 28 Ländern die Top 15 der Charts erreichte. Kanye West wurde Lordes Fan, Taylor Swift ihre Freundin und David Bowie sagte über ihre Musik, sie klinge für ihn wie die Zukunft.

Das war alles vollkommen angemessen, denn die junge Frau mit der braunen Lockenmähne hatte zusammen mit ihrem Ko-Songwriter Joel Little ein Werk produziert, das sofort süchtig machte und perfekt zwischen den somnambulen Retro-Sound von Lana del Rey und den Drama-Pop von Adele passte. Effiziente Beats, mal ein bisschen Schnipsen, mal eine runtergepitchte Stimme und ein zwischen Melancholie und Gelangweiltheit pendelnder Gesang ergaben eine feine Düster-Pop-Mischung. Die meist in der Wir-Form gehaltenen Texte gaben schlaglichtartige Einblicke in den Gemütszustand einer weißen westlichen Vorstadtjugend, der sich zwischen Phlegma und trotziger Coolness bewegte.

Im Traum Cadillac fahren

„We live in cities you’ll never see on screen/ Not very pretty, but we sure know how to run things“, hieß es etwa im Refrain von „Team“. In ihrem Überhit „Royals“ formulierte die Tochter einer preisgekrönten Dichterin ihre Ablehnung von Luxusgütern, wobei gleichzeitig ihre Faszination für eben diese Diamanten, Inseln und Luxusautos durchschien. „We don’t care; we’re driving Cadillacs in our dreams“, singt Lorde, die sich ihren Namen aus Faszination für Königshäuser gab und damit selber in den Adelsstand erhob.

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Inzwischen muss Ella Yelich-O’Connor, wie die Sängerin bürgerlich heißt, nicht mehr von Cadillacs träumen, sie kann sich jedes Auto leisten, denn sie gehört zur globalen Poparistokratie. Von ihren Platteneinnahmen kaufte sie sich ein Haus in ihrer Geburtsstadt Auckland. Allerdings machte die inzwischen 20-Jährige auch ihre erste große Krise durch, denn die Beziehung zu ihrem Langzeit- Freund ging in die Brüche. Ihre Reaktion: Partymachen – jedes Wochenende lud sie Freundinnen und Freunde in ihr neues Domizil ein.

Liebesdrama und Party sind denn auch die prägenden Themen auf Lordes zweitem Album „Melodram“. Kopfüber in die Nacht stürzt sie sich im Videoclip zur vorab veröffentlichten Single „Green Light“, Lorde tanzt in einem Club, durch die nächtlichen Straßen, lässt sich herumchauffieren und die Haare im Wind wehen. Hämmernde Pianoakkorde, Handclaps und ihre eigene vervielfachte Stimme treiben sie durch diesen Eröffnungssong, in dem sie das Bild des ständig vor ihrem inneren Auge auftauchenden Ex-Lovers loszuwerden versucht.

Gedämpfte Beats, sehnsüchtiger Gesang

Das kollektive Wir des ersten Albums ist in den neuen Stücken meist einem Zwei-Personen-Wir gewichen. In der wehmütigen Trennungsballade „Hard Feelings/Loveless“ singt Lorde etwa: „Cause I remember the rush, when forever was us/ Before all of the winds of regret and mistrust/ Now we sit in your car and our love is a ghost/ Well I guess I should go“, wobei der gedämpfte Beat, das Schnipsen und der sehnsüchtige Gesang an das Klangbild des Lorde-Debüts anschließen, um es dann mittels einiger schmerzverzerrter Gitarren langsam zu weiten. Das ist geschickt gemacht, genau wie der zweiminütige zweite Songteil, der mit einem härteren Beat aufwartet, zu dem Lorde ihr persönliches Drama als generationstypisch deutet: „We’re L.O.V.E.L.E.S.S Generation“.

Jack Antonoff half beim Songwriting

Neben der Lieblosigkeit ihrer Generation besingt Lorde aber vor allem deren Feierlust. Sie steht in „Sober“ und „Homemade Dynamite“, zwei frühen Höhepunkten des Albums, im Vordergrund. Die an Timbaland erinnernde Produktion verleiht diesen Mid-Tempo-Songs einen schönen melancholischen Glanz, der die unter der Partyausgelassenheit schwelende Verzweiflung spiegelt. „I’ll give you my best side, tell you all my best lines/ Seeing me rolling, showing someone else love/ Dancing with our shoes off/ Know I think you’re awesome, right?“, singt Lorde etwa in „Homemade Dynamite“.

Die elf „Melodrama“-Stücke, von denen zwei Reprisen sind, halten den hohen Erwartungen an den „Pure Heroine“-Nachfolger stand. Lorde hat sie mit Jack Antonoff geschrieben, der als Gitarrist der Indie-Pop-Band Fun. bekannt wurde und mittlerweile auch produziert. Die beiden vertrauen auf das Erzähltalent und den Gesang von Lorde, blasen die Songs nicht mit pompösen Effekten auf, fahren in den Refrains sogar manchmal die Maschinen runter statt rauf. Eine angenehme Ausnahmeerscheinung in einer von konfektioniertem Hochglanzpop à la Katy Perry geprägten Landschaft. Dass Lorde diese Disziplin ebenfalls beherrscht, blitzt immer wieder durch. Am schillerndsten im Abschlusssong „Perfect Places“ – Hit!

„Melodrama“ erscheint bei Universal. Konzerte: 11.10. München, 14.10. Köln, 15.10. Berlin (Tempodrom)

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