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Der New Yorker Geschäftsmann Jay-Z.

© Universal

Neues Jay-Z-Album: Revolution mit Ladehemmung

Der Rapper Jay-Z will Geschichte schreiben und veröffentlicht sein Album „Magna Carta ... Holy Grail“ vorab als Gratis-App. Doch der Download lahmt und die Musik ist nicht sonderlich aufregend.

Was hat der in den vergangenen Wochen für einen Zirkus veranstaltet, meine Oma würde sagen: Brimborium! Er ließ keinen Zweifel daran, dass dieses neue Album in die Musikgeschichte eingehen wird, ach was: die Mechanismen einer ganzen Branche verändern wird! Es müssten neue Regeln geschrieben werden, tönte Jay-Z. Und wer bitte sollte die schreiben, wenn nicht der New Yorker Überrapper himself?

Am amerikanischen Unabhängigkeitstag, drei Tage vor dem offiziellen Erscheinungstermin von „Magna Carta ... Holy Grail“, wollte er seine 16 Lieder bereits hergeben, einfach digital verschenken. Sensation! Allerdings bloß an diejenigen, die ein neueres Samsung-Handy besitzen. Und von denen auch nur an die fixen, die sich rechtzeitig die zugehörige Gratis-App runtergeladen haben, nach einer Million Zugriffe war Schluss.

Der 4. Juli, so schien es, würde ein Tag so bedeutend wie Superbowl, Weihnachten und Mondlandung in einem. Und jetzt? Jetzt gibt das Handy nur einen einzigen Satz preis: „Error 504, Gateway Time-Out“. Bedeutet etwa: Verbindung überlastet, probiere es später.

Angeblich hat Jay-Z von Samsung für diesen Werbedeal fünf Millionen Dollar bekommen, also fünf pro verschenktem Album. Das ungewöhnliche Verwertungsprinzip, die neu geschriebene Regel, wirkt auf den ersten Blick clever. Auf den zweiten sehr ärgerlich. Denn schon beim Installieren der App muss man Zugriff auf das eigene Facebook-Profil und dort gespeicherte persönliche Daten erlauben. Was genau mit denen passiert, ist ungewiss, aber geht man vom Realistischen aus, also vom Schlimmsten, besitzen Samsung, Jay-Zs Label und Weiß-der-Geier-wer-noch jetzt eine Million Datensätze von konsumfreundigen, zielgruppenrelevanten Menschen. Hätte Jay-Z der Menschheit in der Vergangenheit nicht mindestens drei famose Rap-Alben und Hymnen à la „Empire State of Mind“ geschenkt, man könnte glatt richtig sauer auf ihn werden wegen der Daten-Abzocke. Nach vier Stunden lädt das Mobiltelefon immer noch. Vielleicht hat es auch noch gar nicht richtig angefangen, das lässt sich nicht erkennen. I’ve got 99 problems and Samsung is one.

Bei anderen scheint es zu funktionieren. Jedenfalls füllt sich das Netz – das sind jetzt wieder die alten Regeln – innerhalb weniger Stunden mit illegalen Mitschnitten, sogar auf Youtube wird man fündig. Die Plattenfirma wird dafür sorgen, dass die bald entfernt werden, aber zum Einhören reicht’s. Moralisch gesehen steht einem das ja auch zu, wenn man schon die App geladen und seine Daten verschenkt hat.

Wer „Magna Carta ... Holy Grail“ einmal, zweimal, dreimal hört, kommt zu der Erkenntnis: Musikalisch gesehen hat Jay-Z keine neuen Regeln geschrieben. Es ist ein flottes, druckvoll und pompös produziertes, aber doch konventionelles Hip-Hop-Album geworden. Im Vergleich zu „Yeezus“, dem jüngsten Werk seines Kumpels Kanye West sogar arg unspektakulär.

Der Opener „Holy Grail“ mit Justin Timberlake und Piano-Intro ist vermutlich das überzeugendste Stück. Ansonsten macht sich Jay-Z ein bisschen lustig über die Disney-Schauspielerin Miley Cyrus, droht ein bisschen seinem Konkurrenten Lil Wayne, der aber auf einem älteren Track zuerst gedroht hatte. Schnöder Rap-Alltag. Unfreiwillig komisch wird es, wenn Jay-Z vor den zersetzenden Kräften des Ruhms warnt. Ausgerechnet er, der mal behauptet hat, er könne übers Wasser laufen.

Einen der wenigen Gänsehautmomente gibt es, als er den Refrain aus Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ einbaut. Courtney Love persönlich hat es gestattet. Und dann die Liebeserklärung an Gattin Beyoncé, die diesmal bei zwei Stücken mitsingt: „Sleeping every night next to Mona Lisa / The modern day version / With better features“.

Der Wert eines Albums wird im Hip-Hop – stärker als in allen anderen Musikgenres – von Verkäufen bestimmt. Ohne Zahlen kein Prahlen. Weil Jay-Z schon am ersten Tag eine Million Alben abgesetzt hat, steht ihm bereits Platin zu. In den Billboard-Charts wird er dagegen nicht an die Spitze schießen – nach deren Reglement zählt das Massenrunterladen als Werbung, nicht als Verkauf. Was Jay-Z wiederum für einen schlechten Witz hält.

Die Hoffnung, dass „Magna Carta ... Holy Grail“ auch musikalische Innovation bieten könnte, war durch ein Internet-Filmchen befeuert worden, das den zauseligen Rick Rubin in Jay-Zs Studio zeigt. Ein mutiger Produzent und Erneuerer, der zuletzt auch an Kanye Wests „Yeezus“ beteiligt war. Das kann was werden, dachte man. Die Wahrheit ist leider: Jay-Z hatte Rubin bloß zu sich eingeladen, um ihm seine fertigen Stücke vorzuspielen und das dann zu filmen. Er hat Rubin auch nach seiner Meinung gefragt. Der hat diplomatisch geantwortet, das sei doch nun echt mal ein traditionelles Album geworden.

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