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Kultur: Neues Personal, Krise geht weiter? Über den Wahlkampf. Von Martin Walser

Mir ist Franz Müntefering sehr sympathisch, deshalb habe ich es bedauert, dass er in seinem Stab keinen Mitdenkenden hatte, der ihn vor diesem Ausbruch bewahren konnte. Ich meine nicht die Bildersprache, sondern die Tendenz.

Mir ist Franz Müntefering sehr sympathisch, deshalb habe ich es bedauert, dass er in seinem Stab keinen Mitdenkenden hatte, der ihn vor diesem Ausbruch bewahren konnte. Ich meine nicht die Bildersprache, sondern die Tendenz. Wir sind dem Weltmarkt ausgesetzt und können uns keine Reservate leisten. Subsidiarität ist unsere Chance – an Ort und Stelle besser sein als die zusammenfusionierten Konzernsaurier. Siehe jetzt GM, den mürben Riesen im trostlosen Detroit. Dagegen die Werke in Ingolstadt, Rüsselsheim, Dortmund, Wolfsburg, Leipzig und und und … Und siehe Boeing und dagegen den wirklich überall in Europa gebauten Airbus.

Die Mitwirkung der Intellektuellen beschränkt sich immer auf Meinungsbekundung. Zur Problemlösung reicht es nicht, eine Meinung zu haben, da ist Erfahrung gefragt. In Wahlkampfzeiten scheinen Intellektuelle brauchbar zu sein. Der da mitwirkende Intellektuelle wird unwillkürlich zum Kollegen des Werbetexters. Der Diskurs hat Urlaub. Der Wahlkampf wird natürlich umso erbitterter, je mehr die beiden Parteien das Gleiche wollen. Klar, keiner sieht ein, dass der andere machen darf, was man selber machen will. Alternativen gibt es nicht, brauchen wir nicht. Es genügt eine von keinem Koalitionspartner und keinem Vokabular a. D. gebremste Fortsetzung der Reformpolitik. Das gebetsmühlenhafte Krisengerede und Beschuldigen ist zur deutschen Nationalhymne geworden. Vielleicht stellen wir im Herbst, peinlich berührt, fest: Personen ausgetauscht, Krise geht weiter. Aber, sage ich mir, wer keine Verantwortung übernehmen kann, darf den moralisierenden Mund halten.

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