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Kultur: Neujahrsfunken

Ensemble Blechschaden in der Philharmonie.

Es gibt keine Regel, bis zu welchem Datum ein Neujahrskonzert noch ein Neujahrskonzert ist, aber wenn die Heiligen Drei Könige passé sind, dann ist es auch für Vollprofis keine leichte Aufgabe, ihr Publikum noch in die rechte Sektlaune zu bringen. Bob Ross und sein aus den Bläsern der Münchener Philharmoniker gebildetes Ensemble „Blechschaden“ haben daher Hände und Lippen voll zu tun, die Stimmung in der nicht übermäßig gut gefüllten Philharmonie anzuheizen.

Dass die Zuhörer es am Ende nicht bereuen, der mit Chuzpe vorgebrachten Aufforderung zu Standing Ovations nachgekommen zu sein, sondern mit breitem Lächeln rhythmisch mitklatschen, liegt zum einen an der starken Bühnenpräsenz des 1,58 Meter großen bekennenden Schotten Ross sowie an dem selbstironischen Witz und Charme, mit dem er das prollige Image, das Blechbläser im Orchester besitzen, gegen die hehre Aura ausspielt, die klassische Musiker noch immer umgibt.

Wie viele Jahre dieses Konzept noch aufgehen wird, ist allerdings die Frage, denn nicht nur der Fußball, auf den sich Ross gerne bezieht, um die Erdung seiner Mannen zu unterstreichen, ist dabei, sich von Klischees zu befreien, sondern auch der Klassikbetrieb wandelt sich: Diktatoren am Dirigentenpult wie Sergiu „Celigaddhafi“ Celebidache etwa, gegen den Ross vor 30 Jahren mit der Gründung von „Blechschaden“ rebellierte, sind heute schon eine fast ausgestorbene Spezies.

Was bleibt, ist die Musik – und auch wenn man die schrägsten Nummern wie der auf Gartenschläuchen geblasene Triumphmarsch aus Aida oder das irrwitzig in die Länge gezogene Solo des Schlagzeugers bereits einige Male in der Philharmonie hören konnte, sind die kurzweiligen Arrangements noch immer in der Lage, einen entspannten Abend hindurch zu tragen: Da funkeln die Trompeten bei Glenn Miller im Bigbandsound wie frisch polierte amerikanische Straßenkreuzer oder verbreiten mit Vivaldi hochbarocken Glanz, lässt Matthias Fischer sein Euphonium warm im keltischen Volkston singen und reizt Bassposaunist Benjamin Appel die Register seines Instruments lustvoll von der eleganten Höhe bis zur knatternd unanständigen Tiefe aus. Und damit darf es für 2014 dann auch gut sein mit den Neujahrsfeiern. Carsten Niemann

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