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Nicht OHNE meinen . . .: Kulturbeutel

Wenn einer eine Reise tut, dann nimmt er ein paar Sachen mit, auf die er nicht verzichten mag. Hiermit endet unsere Sommerserie über das Rüstzeug des mobilen Menschen.

Wenn einer eine Reise tut, dann nimmt er ein paar Sachen mit, auf die er nicht verzichten mag. Hiermit endet unsere Sommerserie über das Rüstzeug des mobilen Menschen.

Mancherorts sagt man Toilettentasche statt Kulturbeutel. Das klingt noch mehr nach Sommerferien, nach unbeheizten Badekammern in klapprigen Ferienhäusern, nach Sonnenmilch und Mückenstichen, ruppigem Toilettenpapier und Kölnisch Wasser zum Erfrischen auf der langen Reise. Im Kulturbeutel, so dachte ich früher, hielt sich dagegen die Kultur selbst versteckt. Wenn man den Beutel öffnete, würden Musiker, Literaten und Philosophen herausspazieren, Thomas Mann und Slavoj Žižek, John Milton und Fanny Mendelssohn, Rosemarie Trockel und Peter Sloterdijk, so leise parlierend und argumentierend, dass man sich bücken müsste, um sie zu verstehen. Weiter hinten, so vermutete ich, lagerten Miniaturgemälde, Tischmodelle berühmter Gebäude, Schallplattenspieler und Bücherregale, die im Beutel umgekippt wären, sodass die Büchlein wie Spielzeugziegelsteine durcheinanderfielen; eine kleine Nofretete-Büste wäre dabei, ein Flügel und auf einem Kärtchen natürlich die Entwurfstabelle zu James Joyce’ „Ulysses“. Leise Musik klänge dazu und das zurückhaltende Murmeln von Menschen, die niemals aggressiv werden.

War der Beutel sicher verschlossen, konnte man beruhigt in die Ferien fahren, es mochte rumpeln und pumpeln darin, das war nur ein Zeichen, dass alles in Ordnung war. Im Koffer legte man den Kulturbeutel gleich neben die Toilettentasche mit der Zahnbürste und der Sonnencreme, hoch über die leichte Literatur, die man sich für die Ferien gekauft hatte, obwohl die Angst groß gewesen war, dass es Zeugen geben könnte dafür, wie man den Schund zur Kasse geschleppt hat. Endlich am Urlaubsort konnte man dann die Kultur Kultur sein lassen, ihre Nähe spüren, ohne Ärger mit ihr zu haben, man konnte sich eincremen, die Sonnenbrille aufsetzen, das erste leichte Buch zur Hand nehmen und am See liegen und lesen.

Nach Wochen der Sättigung, des Cowboy- und Hühnerbuchkonsums, des Herumhängens, Schokoladeessens und Mückenstichezählens hatte man auf einmal Sehnsucht, im Kulturbeutel nachzusehen, ob noch alle da sind, der Kulturkasper und die Gedankenmarie, der boshafte Teufel und der arme Poet, die Bücher und Büsten und Tongemälde. Heute weiß ich, dass Toilettentasche und Kulturbeutel ein- und dasselbe sind, Behälter für das Wichtigste im Leben, nur getrennt durch eine Art Dialektgrenze, die das Handfeste vom dezent Parfümierten scheidet, den schönen Alltag von dem Wunsch nach neuem Glanz. Zeit also, die Tasche auszuräumen und den Beutel aufzuziehen, Vorhang auf für eine neue Saison.

In unserer Urlaubsutensilien-Serie sind erschienen: Rucksack (12.7.), Taschenmesser (15.7.), Sonnenbrille (18.7.), Bauchtäschchen (20.7.), Sonnenhut (23.7.), Kompass (26.7.), Adapter (28.7.), Sprizz (2.8.), Havaianas (6.8.), Gewürzrevolver (9.8.), Badehose (14.8.) und Wanderstiefel (16.8.)

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