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Kultur: Nicht von hier

Reumütig: Das neue Album von The Streets

Mit seinem Debütalbum „Original Pirate Material“ avanciert Mike Skinner alias The Streets 2002 zum Star, weil ihm die Verschmelzung zweier Sphären gelingt: Er löst die um die Alltagskultur der weißen Arbeiter- und Mittelklasse-Kids kreisenden Songthemen aus dem Britpop-Kontext und bettet sie in eine an Clubstilen orientierte Musik. Skinners zu blechern scheppernden Beats gespuckte Reime über die Kunstfigur des saufenden, pöbelnden, herumvögelnden „Geezers“ beschwören die Vergnügungssehnsucht britischer Kids. Skinner gilt als authentische Stimme der Vorstadtjugend im maroden Cool Britannia Tony Blairs.

2008 erscheint sein viertes Album. Dessen Titelstück „Everything Is Borrowed“ gipfelt in dem inbrünstig gesungenen Refrain: „I came to this world with nothing / And I leave with nothing but love / Everything else is just borrowed“. Eine Hymne auf die Liebe, zugleich Grabgesang auf materialistische Verlockungen. Skinner wird im Herbst 30, das allein aber erklärt den Sinneswandel nur unzureichemd. Als kalkulierter Karriereschritt taugt die Bearbeitung von Themen wie Tod oder Sinn des Lebens kaum: Wer hört schon gern einem Partylöwen dabei zu, wie er seine philosophische Ader entdeckt? Doch ist Skinner noch immer ein begnadeter Geschichtenerzähler und Lyriker: „I want go to heaven for the weather / But hell for company“ erwidert der Ich-Erzähler in „Heaven For The Weather“ auf Drängen des Teufels, sich für eine Seite zu entscheiden. Überhaupt enthält das Album etliche bemerkenswert moralische Skizzen.

Alle zehn Songs sind im bewährten „The Streets“-Sprechgesang intoniert, näselnd, mit deutlichem Cockney-Akzent. Musikalisch hat sich mehr getan. Bestachen die Songs auf den bisherigen Alben durch Minimalismus und hohen Abstraktionsgrad, so sind nun immens vielschichtig, von abgemagertem Northern- Soul über herbstlichem Fake-Chanson bis zu Balladen-Grandezza im Puppenstubenformat reicht das Spektrum.

„Everything Is Borrowed“ (Warner) löst sicher keine Pop-Revolution mehr aus. Doch besticht das Album durch die Schutzlosigkeit, mit der hier jemand sein Image ändert. Skinner sieht eventueller Häme locker entgegen: „I’ll not feel no fear / cause I’m not really here“. Damit deutet er elegant seinen Ausstieg an: 2010 will er das The-Streets-Werk mit einer futuristischen Metropolen-Platte abschließen. Jörg Wunder

Jörg W, er

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