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Kultur: Nichts gegen niemand

Eine

von Lorenz Maroldt

In der Welt der Musik wird zuweilen scharf geschossen. Zum Beispiel bei Johnny Cash, im „Folsom Prison Blues“: But I shot a man in Reno, just to watch him die. Unschöne Sache, und nicht mal ein ehrenwertes Motiv. Niederträchtig auch die Angefahrenen Schulkinder, eine so genannte Spaßpunkband: „Tötet Onkel Dittmeyer“ – dabei wollte der doch nur seinen hundertprozentigen Orangensaft verkaufen. Meistens sind Präsidenten und Polizisten die Opfer, bei The Clash in der Notwehrpose („Guns Of Brixton“), bei den Toten Hosen im Liebesrausch („Wir schießen zwei, drei, vier, fünf Bullen um, wenn es nicht mehr anders geht“). Bob Marley verschonte zwar den Deputy, but: „I Shot The Sheriff“. Nasty Rastaman.

Was ist ein Aufruf zur Gewalt, was die Beschreibung derselben? Und wer will das entscheiden? Bob Geldof ließ in „I Don’t Like Mondays“ eine ganze Schulklasse niedermetzeln. Andere Musiker legten sich absichtlich oder versehentlich mit allen möglichen Mehr und Minderheiten an: Randy Newman machte sich über „Short People“ lustig und empörte die organisierte Kleinwüchsigenwelt, die Stones verärgerten mal die Frauen („Under My Thumb“), mal die Schwarzen („Brown Sugar“).

Der Reggaesänger Buju Banton wiederum, um dessen Fall es hier geht, hat sich die Verachtung Homosexueller zugezogen. In einem wirren Stück, geschrieben Anfang der neunziger Jahre, wird ein Schwuler erschossen („Boom Bye Bye“). Der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg versucht deshalb, Auftritte Bantons zu verhindern und hat in der Berliner Kulturverwaltung Verbündete gefunden. Deren Sprecher fordert wegen der Proteste des Verbandes jetzt vom Schwulenmordsänger eine persönliche Entschuldigung, andernfalls werde das Konzert in der vom Land Berlin geförderten Kulturbrauerei nicht stattfinden.

Wir stellen also fest: Ein Minderheitenverband mit starker Lobby bestimmt die Richtlinien der Berliner Kulturpolitik. Eine Auftrittsgenehmigung wird nur bei Wohlverhalten gegeben. Eine Liste der zum Vortrag bestimmten Lieder bitte mit vollständigem Text beim zuständigen Senator vorlegen. Für früheres oder künftiges Fehlverhalten ist eine schriftliche Entschuldigung notwendig. Formulare gibt es im Roten Rathaus. Let’s Roll.

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