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Kultur: Nichts geht über Bärenmarke

Eine

von Jens Mühling

Der Streit über das Familienbild der Unionsparteien ist eskaliert. Gestern erreichte den Tagesspiegel ein Schreiben anonymer CDU-Mitglieder, in dem mit scharfen Worten „die unverantwortliche Verklärung des Bärensäuglings Knut durch die Berliner Presse“ kritisiert wird. Die Freude über den Nachwuchs im Zoologischen Garten sei den Haupstädtern zwar „von Herzen zu gönnen“, versichern die Verfasser des Schreibens. „Wenn jedoch ein Bärenbaby, das von der Mutter unmittelbar nach der Geburt in staatliche Betreuung gegeben wird, vom rot-roten Senat im Verbund mit der Hauptstadtpresse zum Modellfall familiärer Idylle stilisiert wird, dann verstehen wir das als perfide Attacke auf die Grundwerte unserer Partei!“

Die CDU-Spitze stand für einen Kommentar zunächst nicht zur Verfügung. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm erklärte jedoch, auch ihn habe das Verhalten der Eisbärin „von Anfang an stutzig gemacht“. Der CDU-Politiker verwies außerdem in diesem Zusammenhang auf die „bezeichnende Tatsache“, dass Knuts Mutter Tosca aus der DDR stamme. Er kritisierte die „Krippenmentalität“ der Bärin als „Verherrlichung diskreditierter Gesellschaftsformen“ und warnte eindringlich vor einem „Sozialismus mit pelzigem Antlitz“.

Wie gerüchteweise aus der Berliner Stasiunterlagenbehörde durchsickerte, war dort ein Suchlauf nach „Unterlagen zum Vorgang Knut“ in Auftrag gegeben worden. „Die Aktenlage lässt bislang keine eindeutigen Schlüsse zu“, erklärte Behördenleiterin Marianne Birthler auf Anfrage. Richtig sei, dass eine Eisbärin namens Tosca in den achtziger Jahren für den Staatszirkus der DDR gearbeitet habe. Weder bestätigen noch ausschließen lasse sich aber „eine Tätigkeit der Bärin für die Stasisonderabteilung ‚familienpolitische Desinformation‘“.

Mit unverhohlener Schadenfreude meldete sich Bayerns scheidender Ministerpräsident Edmund Stoiber zu Wort: „Der Vorgang zeigt“, triumphierte der NochCSU-Vorsitzende, „dass Problembären nicht nur in Bayern heimisch sind.“ Stoibers Umweltminister Werner Schnappauf dementierte derweil das Gerücht, er habe ein Bataillon von Großwildjägern mit Schießbefehl nach Berlin entsandt. „Niemand hat die Absicht, einen Bären zu erlegen“, stellte Schnappauf klar.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit bezeichnete die „Affäre Knut“ unterdessen als „haarig, aber sexy“. Der SPD-Politiker warnte davor, „einen minderjährigen Eisbären zum Spielball parteipolitischer Interessen zu machen“. Um Knut vor weiteren Vereinnahmungen in Schutz zu nehmen, werde er den knuddeligen Bärenbuben umgehend zum Maskottchen des Berliner SPD-Programms für kostenlose Kitaplätze ernennen.

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