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Kultur: Nietengürtel im Schrank

Finca-Pop: Nenas Album „Willst du mit mir gehn“

Ihr Produzent Uwe Fahrenkrog-Petersen ist zwar pleite, aber Nena spielt immer noch ganz weit vorne mit. Seit Montag kann man ihre neue Produktion „Willst du mit mir gehn“ kaufen. Zwei CDs stecken in der rot-orangefarbenen Hülle, eine normale Studio-CD und eine auf Mallorca eingespielte Finca-CD. Auf der ersten singt Nena eigentlich wie immer – begleitet von den typischen Nena-Synthesizern, man spürt sozusagen ihre fliegenden Haare im Gesicht (neue Frisur mit dickem Pony und verschatteten Augen, die Fransen sind weg). In den Songs geht es ausschließlich um die unterschiedlichen Facetten einer allumfassenden Liebe, die die Sängerin – so hat sie es „Gala“ gesagt – nicht nur den Menschen, sondern auch den Bäumen entgegenbringt. Die filtern nämlich unablässig all die Luft, die Nena immer so schön hörbar ein- und wieder ausatmet. Diesen esoterisch angehauchten Waldlauf muss man ihr unbedingt verzeihen. Die schlichte Ausdrucksweise gehört zu der Sängerin wie ihre konsequente Weigerung, „T“s an Wortenden mitzusprechen.

Auf der Finca-CD findet sich sozusagen der Urschleim dessen, was später ein richtiges Studio-Album wurde. So hört sich das also an, wenn Nena und ihre Musiker während langer Sonnentage bei vegetarischer Kost und total positiver Gruppendynamik einfach mal ganz locker vor sich hin musizieren und überlegen, was sie mit sich anfangen sollen. „Ja kann man denn da überhaupt was machen“, heißt der Begrüßungstrack, und man ahnt es: im Prinzip lieber nicht. Diese im schlechten Sinn psychedelischen Endlos-Lalala-Nummern erinnern an nervende Bongo-Spieler im Stadtpark. Sie gehören damit in Nenas persönliches Erinnerungskästlein, aber nicht ans Licht der Öffentlichkeit. Woran liegt es, dass man Nena grundsätzlich alles verzeihen will?

Heute hat Susanne Gabriele Kerner Geburtstag. Die Mutter von vier Kindern wird 45 Jahre alt. „Mein Leben fängt von vorne an, mein Leben ist ganz neu, und wenn du dabei sein willst, dann bist du jetzt dabei“, singt sie, ihrer seufzigen Kleinmädchenstimme ist das Alter nicht anzuhören. Da passt es irgendwie zusammen, dass die von Null auf Platz eins der Charts geschossene Single „Liebe ist“ allabendlich auch als Titelmelodie der Sat-1-Teenie-Telenovela „Verliebt in Berlin“ zu hören ist. Das Geheimnis ihrer nicht enden wollenden Jugend lüftet Nena im Lied Nummer acht: „Vitamines, take them, take it, swallow.“

Wahrscheinlich kann man Nena so vieles verzeihen, weil ihre Musik haargenau so klingt wie damals, als sie noch dieses Stirnband trug. Nenas Musik und Nena selbst werden schlicht nicht erwachsen. Das ist das Schönste und Verlässlichste an ihr. Obwohl sie auf „Willst du mit mir gehn“ oft genug vom Neuanfang schwärmt, ist sie die Galionsfigur der Luftballon-Generation, die ihre Nietengürtel nicht kaufen müssen, sondern unter den ungläubigen Blicken ihrer Töchter aus dem hintersten Teil des Schranks hervorkramen. Klar, dass dazu auch ein gewisses Unbehagen gehört, ein klitzekleiner peinlicher Moment, in dem einem die Achselhaare der Sängerin von vor zwanzig Jahren und ihre Affäre mit Udo Lindenberg wieder einfallen. Aber es wird immer ein Sommer am See kommen, in dem man ein Lied von Nena gerne hört.

Nena: „Willst du mit mir gehn“, erschienen bei Warner.

Esther Kogelboom

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