zum Hauptinhalt
Tastenzauber. Gerade ist Nils Frahms Album „All Melody“ erschienen.

© Alex Schneider

Nils Frahm im Funkhaus Berlin: Hagelsturm trifft Klangteppich

Der Pianist Nils Frahm begeistert mit seinem Mix aus klassischer und zeitgenössischer Klaviermusik. Im Funkhaus in der Nalepastraße hat er sein neues Album vorgestellt.

Das Funkhaus in der Nalepastraße ist wie ein zweites Zuhause für Nils Frahm. Der Pianist hat hier ein eigenes Studio, das er zusammen mit Freunden umgebaut hat. Und natürlich hat er auch sein gerade erschienenes siebtes Album „All Melody“ in diesem Raum aufgenommen. Nicht weit entfernt befindet sich der große Saal 1. Hier stellt der 35-Jährige, der für seinen „Victoria“-Soundtrack mit dem deutschen Filmpreis ausgezeichnet wurde, die neuen Songs an vier Abenden hintereinander live vor. Nils Frahms Mix aus klassischer und zeitgenössischer Klaviermusik, die er oft mit elektronischen Einflüssen und markanten, effektbeladenen Melodien kombiniert, ist derzeit äußerst populär: Nur wenige seiner zahlreichen Konzerte in Europa sind nicht ausverkauft.

Im Funkhaus befindet sich die Bühne an der tiefsten Stelle in der Mitte des Raumes. Das Publikum sitzt auf breiten flachen Stufen darum herum und rahmt die unterste Ebene ein. Bevor Frahm erscheint, blicken alle auf seine Instrumente. Neben einem offengelegten Flügel, dessen Saiten aus Stahldraht im Licht schimmern, türmt sich ein beeindruckendes Konstrukt aus Mixern, Verstärkern und weiteren Tasteninstrumenten auf.

Der Pianist kommt um kurz nach halb neun herein, er trägt Baskenmütze und gedeckte Farben, nur seine rot-weiß karierten Socken sind auffällig. Er beginnt nach schnellen Verbeugungen kommentarlos mit einer kurzen Melodie auf einem kleinen Tasteninstrument, das kaum größer ist als sein Oberkörper. Er treibt das Lied über Loops und sein Spiel an der Orgel immer weiter nach vorn, bis tiefe Bässe den Raum erschüttern. Frahm hat inzwischen an den anderen Teil des Instrumentenkonstruktes gewechselt und mischt elektronische Sounds in den Klangteppich, der konstant durch den Raum wabert.

Frahm hämmert mit einer Klobürste auf die Saiten seines Flügels

Gleich zu Beginn stellt er die Songs seines neuen Albums vor. Das Titelstück „All Melody“ ist das einzige Lied, das er ankündigt. Es vereint wie in einem unregelmäßigen Raster sehr verschiedenartige Melodiestränge. Obwohl diese einer je anderen rhythmischen Logik folgen, passen sie doch zusammen. Die Klänge bauen aufeinander auf, sind teilweise fast meditativ.

Nils Frahm ist voll und ganz in seine Musik versunken. Bei „Sunson“, einem weiteren neuen Lied in der Anfangsphase des Konzertes, wankt sein Oberkörper im Takt. Seine Beine stampfen, als er an den Reglern des Pultes dreht: Die Sounds wechseln, eine Panflöte erklingt und mischt sich in die atmosphärische Klanglandschaft, die er in nur wenigen Minuten kreierte. Mit fliegenden Bewegungen nimmt der Pianist fortlaufend die Positionen von mehreren Musikern gleichzeitig ein. Doch in der ersten Hälfte des Konzerts gibt es auch ruhige Momente. Frahm sitzt alleine am Klavier, das Licht ist gedimmt und scheint ihn goldgelb an. Viele der Zuhörerinnen und Zuhörer haben die Augen geschlossen, manche legen sich sogar hin, um ganz tief in die Töne abzutauchen.

Als Frahm nach über einer Stunde sein 2013 erschienenes Lied „Hammers“ am Klavier anspielt, wird es laut im Publikum. Alle pfeifen und klatschen schon bei den ersten Tönen. Wie ein Hagelsturm prasseln die Noten darin übereinander. Die Melodielinie wird von einem springenden Bass unterstützt und klingt, als würden vier Hände über die Tasten gleiten. Auch bei der Zugabe „Toilet Brushes“, in der Frahm mit Klobürsten auf die Stahlsaiten des Flügels hämmert, jubelt das Publikum. Bei dem nahtlos darin übergehenden letzten Song des Abends „More“ zeigt Nils Frahm durch sein ungemein intensives und ausdruckvolles Spiel, warum er derzeit eine so große Anziehungskraft entfaltet.

Lorina Speder

Zur Startseite