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Der französische Schriftsteller Patrick Modiano

© dpa/picture-alliance

Nobelpreisträger Patrick Modiano wird Bestsellerautor: Den Sternen so nah

Erst Ullstein, dann Suhrkamp und Kowalke, schließlich Hanser: Die Editonsgeschichte der Romane von Literaturnobelpreisträger Patrick Modiano.

Man staunt jedes Mal aufs Neue darüber, was für ein erstaunliches Marketinginstrument der Literaturnobelpreis doch ist. Nur drei Wochen nachdem er den Nobelpreis zugesprochen bekam, ist der französische Schriftsteller Patrick Modiano zum Bestsellerautor geworden: Auf der aktuellen „Spiegel“- und „Buchreport“-Liste ist er mit seinem jüngsten, 2013 ins Deutsche übertragenen und veröffentlichten Roman „Der Horizont“ auf Platz 17 eingestiegen, und auch in den Taschenbuchcharts stehen mit „Das Café der verlorenen Jugend“ (2012 erstmals auf Deutsch erschienen, 2007 in Frankreich) und seinem Debüt „Place de l’Étoile“ (1968 erschienen, 2010 erstmals auf Deutsch) zwei Modiano-Romane in den Top zwanzig.

Wie ein Literaturnobelpreis doch Leserinteressen zu wecken und zu lenken vermag! Verschüttete Interessen zudem. Denn wie viele Literaturnobelpreisträgern ist Modiano hierzulande kein gänzlich unbekannter Schriftsteller. Viele seiner Romane, gerade auch die frühen aus den siebziger Jahren, sind ins Deutsche übersetzt und veröffentlicht worden. Mit mäßigem Erfolg: Patrick Modiano war zwar immer ein Liebling der Kritik, wurde aber vom Publikum ignoriert. Weshalb es gleich fünf Verlage waren (bei vielen Nobelpreisträgern liegt das Werk auf Deutsch so verstreut vor), die Modiano versucht haben durchzusetzen.

Peter Handke setzte sich beim Suhrkamp Verlag für Modiano ein

Erst der Ullstein Verlag, der das bis Ende der siebziger Jahre tat, dort erschien in dem zum Ullstein-Haus gehörenden Propylän Verlag zuletzt der 1978 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnete Roman „Die Gasse der dunklen Läden“; dann trat auf die Empfehlung von Peter Handke hin der Suhrkamp Verlag auf den Modiano-Plan, beginnend mit dem von Handke dann auch übersetzten 81er-Roman „Eine Jugend“; schließlich, ab Ende der neunziger Jahre, kümmerte sich der Münchener Hanser Verlag um den französischen Schriftsteller, zuerst mit dem zeitgleich in Deutschland wie Frankreich veröffentlichten Roman „Dora Bruder“. Nicht vergessen werden soll hier der kleine Berliner Kowalke Verlag, den es nur von 1995 bis 2001 gab. In diesem erschien im Jahr 2000 der 1993er-Modiano-Roman „Ein junger Hund“, von dem später der Aufbau Verlag eine Taschenbuchausgabe herausbrachte.

Das wäre natürlich was gewesen vor allem für den Kowalke Verlag, hätte Modiano schon 2000 den Nobelpreis bekommen – gut möglich, dass es den Verlag heute noch gäbe! Keine Frage, dass mit dem jetzt erwachten Interesse der Suhrkamp und der Hanser Verlag ihre jeweiligen, zum Teil nicht mehr lieferbaren Modiano-Romane wieder neu aufgelegt haben. Bei Suhrkamp gibt es ab morgen neun Ausgaben im Taschenbuch, darunter „Die Gasse der dunklen Läden“ und die sogenannte Pariser Trilogie, in der die frühen Romane „Abendgesellschaft“, „Außenbezirke“ und „Ein Familienstammbuch“ zusammengefasst sind. (Über die Auflagen schweigt man sich bei Suhrkamp lieber aus.) Hanser hält unter anderem „Dora Bruder“ wieder als Hardcover bereit – und beeilt sich natürlich auch, den neuesten Modiano-Roman weit vor der Verleihung des Nobelpreises am 10. Dezember in Stockholm vorzulegen, „Gräser der Nacht“. Dieser erscheint nächste Woche. Und das nicht mehr in einer Auflage von 5000 bis 10 000 Exemplaren wie sonst (nur „Café der verlorenen Jugend“ war erstaunlicherweise ein Renner, davon setzte der Verlag 25 000 Exemplare ab), sondern mit satten 100 000.

Der „neueste“ Roman ist „Gräser der Nacht“ übrigens auch nicht, er ist von 2012. In Frankreich erscheint dieser Tage schon der brandneue Modiano, „Pour que tu ne te perdes pas dans le quartier“, bei uns in der Übersetzung von Elisabeth Edl für Herbst 2015 angekündigt. Ob sich Modiano bei seinen Veröffentlichungen nun als Literaturnobelpreisträger wieder so fühlt wie 1967, als Gallimard sein Debüt annahm? „An diesem Abend hatte ich mich zum ersten Mal leicht gefühlt in meinem Leben. Die Drohung, die während all der Jahre auf mir lastete, die mich zwang, ständig auf der Hut zu sein, hatte sich in der Luft von Paris aufgelöst. Ich war in See gestochen, bevor der morsche Anlegesteg zusammenbrach. Es war höchste Zeit.“

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