zum Hauptinhalt

Norman Manea: Dämonen des Exils

Rumänische Rankünen in Amerika: Norman Maneas düsterer Roman „Die Höhle“.

Am 21. Mai 1991 wurde auf dem Gelände der Universität von Chicago der 41-jährige Professor Ioan Petru Culianu erschossen. Er war seinem Landsmann, dem berühmten Religionshistoriker und Schriftsteller Mircea Eliade, nach Chicago gefolgt. Gemeinsam gaben sie ein Wörterbuch zur Religionsgeschichte heraus, das als Standardwerk gilt. In der rumänischen Gemeinde Amerikas kursierten kurz vor Culianus Ermordung Gerüchte, wonach dieser die dunkle politische Vergangenheit seines einstigen Meisters Eliade habe aufdecken wollen.

1991 veröffentlichte auch Norman Manea im US-Magazin „The New Republic“ einen Artikel über Mircea Eliades Sympathien für die faschistische Eiserne Garde im Rumänien der dreißiger Jahre. Daraufhin wurde Manea, der seit 1988 in New York lebt, vom CIA kontaktiert. Man riet ihm zur Vorsicht im Umgang mit anderen Exil-Rumänen.

Diese Episode erzählte Manea bereits 2004 in seiner artistischen Autobiografie „Die Rückkehr des Hooligan“. Nun bildet der unaufgeklärte Mord an Culianu das dramatische Zentrum seines neuen Romans „Die Höhle“ – verklausuliert, wie es sich für diesen Meister der sarkastischen Sprachkaskaden und surrealen Metaphern versteht. Das luftig-komplizierte Romangebilde stellt seine erste rein fiktive Auseinandersetzung mit den USA dar, die ihn zur Satire anregen. Das Exil war für Manea eine Erfahrung, die sein Denken und Empfinden veränderte.

Auch die Religionswissenschaftler Eliade (1907–1986) und Culianu veränderten sich während ihres Aufenthalts in Chicago, allerdings in eine obskur parapsychologische Richtung. Im Buch werden aus ihnen die Okkultisten Dima für Eliade und Palade für das Mordopfer. Maneas Autoren-Ich spaltet sich in zwei Figuren auf: Da ist zum einen der Gelehrte Augustin Gora. Er lässt die Ceausescu-Diktatur hinter sich und verschanzt sich in der titelgebenden Höhle, umgeben von Damenhandschuhen – er ist Fetischist. Goras Gedanken über die USA gleichen denen seines Schöpfers: „Anfangs hatte ihn alles begeistert. Die tief verinnerlichten Hemmungen des byzantinischen Sozialismus lösten sich ohne sein Zutun, wie durch Zauber. (...) Zuversichtlich wartete er auf die Nachricht, dass seine Frau sich endlich entschlossen habe, ihm zu folgen.“

Jene Lu, der Goras erotische Fantasien gelten, trifft zwar in Übersee ein, jedoch an der Seite eines anderen Mannes: ihres Cousins und Geliebten Peter Gaspar. Die Männer, die sich noch aus Bukarester Oppositionszirkeln kennen, werden zu Rivalen. Wie der Autor, der 1941 als Fünfjähriger mit seiner jüdischen Familie in ein Lager deportiert wurde, ist Gaspar der Sohn politisch verfolgter Eltern. Gaspar verschwindet im „Abgrund Amerika“, und die rumänische Gerüchteküche brodelt drauflos: „Wer verbarg sich hinter diesem merkwürdigen Namen Peter Gaspar? (...) Ein Ausgegrenzter, ein Flüchtling, ein Verräter im Dienste finsterer antinationaler Interessen!“

In Rumänien galt Norman Manea als Staatsfeind, nachdem er 1981 in einem Interview den schwelenden Nationalismus und Antisemitismus unter Ceausescu kritisiert hatte. 1986 konnten er und seine Frau Cella ausreisen. Der Stadt New York bescheinigt der 76-Jährige die Qualitäten eines angenehmen Hotels. Dennoch sieht er das Exil auch als „dramatische Enteignung“, wie er 2011 in seiner Dankesrede zum Nelly-Sachs-Preis sagte. Vor allem der innerjüdische Dialog habe für ihn in der Fremde an Bedeutung gewonnen.

Eine eigentümliche Spannung und düstere Heiterkeit grundieren Maneas Prosa. In „Die Höhle“ kommen Traumfetzen, „konfuse Warnungen und wirre Ahnungen“ hinzu, die Atmosphäre ist durch Eros und Tod aufgeladen. Dem lebhaften romanischen Temperament seiner Protagonisten entsprechend, besteht das Buch zu einem Gutteil aus Dialogen.

Zugleich handelt es sich um einen sinnlichen Thesenroman über die rumänische Kulturgeschichte. Georg Aescht, einer seiner bewährten Übersetzer, hat auch diesmal Maneas spezifische Ironie und seinen funkelnden Wortwitz in ein wunderbares Deutsch gebracht: „Die Gymnastik, die Dusche. Er beginnt den Tag. Einen Tag hatte er gewonnen, eine unvergleichliche Leistung, behaupteten die Mitbürger in der Neuen Welt. Sie hatten recht. Die Farce, zu sein, das Wunder, zu existieren.“ Katrin Hillgruber

Norman Manea: Die Höhle. Roman. Hanser Verlag, München 2012. 366 S., 24,90 €. Am Dienstag präsentiert der Autor sein Buch in Berlin: 18 Uhr, Europäisches Haus, Unter den Linden 78. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist erforderlich unter: http://bit.ly/O07RUS

Zur Startseite