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Muttergottes mit Kind aus dem Lüneburger Ratssilber (um 1510). Sie ist Teil des Welfenschatzes, der noch 44 Exponate umfasst und im Berliner Kunstgewerbemuseum aufbewahrt ist.

© dpa

NS-Raubkunst: Der Welfenschatz bleibt ein Streitfall

Eigentlich wurde der Welfenschatz letztes Jahr der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zugesprochen. Aber auch nach der Empfehlung der Limbach-Kommission nimmt die Auseinandersetzung um den mittelalterlichen Kirchenschatz kein Ende. Ist er nun Raubkunst oder nicht?

Die Erben jüdischer Kunsthändlern haben die Bundesrepublik Deutschland vor einem US-Gericht auf Herausgabe des Welfenschatzes verklagt. Der mittelalterliche Kirchenschatz befindet sich in der Obhut der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Die damaligen Eigentümer - vier jüdische Kunsthändler- hätten die Sammlung unter dem Druck der Nazis für ein Drittel ihres Werts verkaufen müssen, das Geschäft sei damit widerrechtlich und nichtig, heißt es in der Klage. „Würde Deutschland etwas anderes behaupten, würde es noch 2015 Görings Plündereien ausdrücklich billigen.“

Ein erstaunlicher Vorgang. 2014 war der komplizierte Fall der im Berliner Kunstgewerbemuseum aufbewahrten, 44-teiligen Sammlung mit Goldschätzen aus dem 12. bis 15. Jahrhundert auf Antrag der Erben vor der sogenannten Limbach-Kommission verhandelt worden. Diese sah keine Anhaltspunkte für NS-Raubkunst und empfahl den Verbleib bei der Preußenstiftung. Deren Präsident Hermann Parzinger teilte mit, der Anwalt der Antragsteller habe damals erklärt, „auch seine Mandanten würden die Empfehlung der Beratenden Kommission akzeptieren“. Neue Fakten seien der Stiftung nicht bekannt, auch werde sich zeigen, „ob der District Court in Washington D.C. sich überhaupt für zuständig hält“. Auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters sind „keine neuen Fakten zu dem Fall bekannt". Parzinger geht davon aus, „dass die Ergebnisse unserer jahrelangen wissenschaftlichen Recherchen auch ein Gericht in den Vereinigten Staaten, sollte es überhaupt zuständig sein, überzeugen können.“

Die Arbeit der Limbach-Kommission ist sinnlos, wenn beide Seiten den Schiedsspruch nicht akzeptieren

Der Marburger Anwalt Markus H. Stötzel, der den Fall gemeinsam mit seinem Bostoner Kollegen Nicholas M. O’Donnell vertritt, betont, die damaligen Kunsthändler seien die rechtmäßigen Besitzer gewesen. Auch dies hatte die Limbach-Kommission anders gesehen. Die Verkäufer des Schatzes an das damalige Land Preußen, hieß es in der Empfehlung, seien nicht unmittelbar von NS-Verfolgung betroffen gewesen, zumal sich der Schatz im Ausland befand. Sie hätten einen marktgerechten Kaufpreis erhalten und frei darüber verfügen können. Auch sei die alleinige Anspruchsberechtigung nicht belegt: Das Konsortium, das den Schatz in den 30er Jahren vom nach Wien ausgewanderten Fürstenhaus Hannover erworben hatte, umfasste mehrere Teilhaber und Kreditgeber. Ein Konsortialvertrag wurde nicht vorgelegt.

Der Bostoner Anwalt Nicholas M. O'Donnell und der Marburger Anwalt Markus H. Stötzel, der den Fall gemeinsam mit O'Donnells Kanzlei vertritt, bei ihrer Pressekonferenz am 24. Februar in Berlin zur US-Klage gegen die Bundesrepublik wegen Herausgabe des Welfenschatzes.
Der Bostoner Anwalt Nicholas M. O'Donnell und der Marburger Anwalt Markus H. Stötzel, der den Fall gemeinsam mit O'Donnells Kanzlei vertritt, bei ihrer Pressekonferenz am 24. Februar in Berlin zur US-Klage gegen die Bundesrepublik wegen Herausgabe des Welfenschatzes.

© dpa

Die Limbach-Kommission hat die Aufgabe, bei strittigen Restitutionsfällen eine „faire und gerechte Lösung“ entsprechend der Washingtoner Erklärung von 1998 zu suchen. Mit der jetzigen Klage dürfte sie endgültig gescheitert sein. Auch wenn ihre Empfehlungen rechtlich nicht bindend sind, kann sie nur funktionieren, wenn beide Seiten, Anspruchsteller und Museum, den von ihnen erbetenen Schiedsspruch akzeptieren. Wenn die Kläger nun sagen, sie hätten „2014 die gleiche Diskriminierung erfahren wie ihre Verwandten während der Nazi-Zeit“, ist das eine schallende Ohrfeige für die Kommission. Und ein Indiz dafür, mit welch harten Bandagen gekämpft wird. „Die Weigerung der deutschen
Regierung, die Verluste der Opfer anzuerkennen, steht in krassem Widerspruch zu Deutschlands historischer Verpflichtung“, sagt der
Anwalt O'Donnell. Ein harter Vorwurf.

Nun war es in Dutzenden früheren Fällen durchaus zur Restitution gekommen, in diesem Fall aber nicht. Und prompt zieht man vor Gericht.
In der Tat stellt sich die Frage, ob US-Gerichte für deutsche Fälle zuständig sein können. Im Zuge der Globalisierung, die auch das Problem des „NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts“ erfasst hat, mag dies der Fall sein. Die Anwälte haben den Streitwert auf 260 Millionen Euro angesetzt; ihr Honorar bemisst sich nach dieser Höhe. Den Gang vor ein US-Gericht begründen sie damit, dass das deutsche Zivilrecht keine ausreichenden Handhabe für die Wiedergutmachung von NS-Unrecht biete. (mit dpa)

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