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Kultur: Nur die Sonne war Zeuge

John Sandford begibt sich in die Country-Szene.

Noch ein Einzelkämpfer an der Ermittlerfront – und ein besonders cooler: Virgil Flowers arbeitet für die Kriminalpolizei von Minnesota, trägt gerne T-Shirts, die für Indiemusiker werben, und transportiert auf seinem Pick-up genug Selbstironie, um sofort vom Angelwettbewerb auf eine Mordermittlung umsteigen zu können. Eine Frau ist erschossen worden, die von einem Kanu aus den Sonnenuntergang betrachtet hat. Der Schütze muss ein Präzisionsarbeiter gewesen sein. Nur: Was war sein Motiv?

Das ist das Packende an den Krimis des Amerikaners John Sandford: eine Szene, ein Schuss – und schon entsteht ein Panorama, das es in sich hat. Die tote Frau hatte Ferien in einem Resort gemacht, das besonders Lesben anspricht. Sie war verliebt in die Sängerin einer Frauen-Country-Band namens Wendy. Die hat gerade eine Affäre mit Zoe, einer Steuerfachfrau aus der Stadt, hinter sich. „Zwischen ihr und Wendy ist mal was gelaufen“, hört Virgil von der Schlagzeugerin der Band über die beiden Verdächtigen Zoe und Wendy. „Aber Zoe ist so spießig, dass Wendy es nicht mehr ausgehalten hat. Zoe wollte doch glatt Valentinsgeschenke austauschen.“ Je genauer Virgil hinsieht, desto unübersichtlicher wird alles. Ein stilles Grinsen kommt einem auf vielen Seiten – die übrigen bringen stramme Spannung. Im ländlichen Minnesota ist von Idylle nichts zu spüren. Sandford hat für lakonische, pointensichere Dialoge ebenso viel Sinn wie für die Explosivkraft des Bösen.

Virgils Annäherung an Zoes Schwester verstärkt die Spannung: Verliebtheit im Schlagschatten eines Mordes braucht Geduld und die passende Gelegenheit. Die mordverdächtige Zoe fragt Virgil, ob es sein könne, dass er am Abend ihre Schwester treffen wolle. Virgil antwortet, er werde „vielleicht auf ein Bierchen“ bei ihr vorbeischauen. „,So, so, auf ein Bierchen. Sie hat sich extra die Beine rasiert’“, teilt Zoe ihm mit. „Ach“, sagt Virgil, „das wollte ich für sie machen.“ Noch ein Präzisionsschuss fällt, doch Virgil hat schließlich so viele Verdächtige ausgeschlossen, dass für den Showdown nur einer übrig bleibt. Werner van Bebber

John Sandford:

Bittere Sühne.

Roman. Aus dem amerikanischen Englisch von Sonja Hauser. Goldmann,

München 2012.

378 Seiten, 9,99 €.

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