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Kultur: Nur gute Noten bleiben

Auftritt in Neuhardenberg: Ein Gespräch mit dem Jazzgitarristen Pat Metheny.

Pat Metheny wurde 1954 in Lee’s Summit, Missouri, geboren. Sein Schallplattendebüt „Bright Size Life“ erschien 1976. Seine neue CD „Unity Band“ (Nonesuch) stellt der mittlerweile mit 19 Grammys ausgezeichnete Gitarrist mit seinem neuen Quartett am 25. und 26. Juni in der Schinkelkirche in Neuhardenberg vor.

Sie haben Ihr neues Quartett „Unity Band“ genannt. Ist das als Kommentar zum US-Wahlkampf gemeint?

Nun, so weit würde ich nicht gehen. Doch Unity ist ein Wort, das gut zu mir passt. Es gab Begriffe für meine Musik, mit denen ich mich nicht wohlgefühlt habe. Fusion war das schlimmste Wort, und auch Jazz bezeichnet nicht wirklich, was ich tue. Wenn ich überlege, wer und was mich inspiriert, Herbie Hancock fällt mir da als Erster ein, dann ist es ein vereinheitlichter Zugang zur Musik: akustisch und elektrisch, einfach und kompliziert, automatisiert und menschlich, improvisiert und notiert – ich habe sozusagen alles im Angebot, es ist aber eben nicht beliebig. Wenn man es auf eine demografische Ebene heben möchte, reflektiert die Zusammensetzung meines aktuellen Quartetts mit Chris Potter, Ben Williams und Antonio Sanchez das heutige Amerika ziemlich genau. Tatsächlich haben wir einen Afroamerikaner, einen Mexikaner und zwei weiße Typen in der Band, doch das ist reiner Zufall.

Welche Bedeutung hat die Musik in Ihrem Leben, welche Kraft haben Sie daraus geschöpft?

Für mich ist Musik von Stilen unabhängig, und besonders der Jazz symbolisiert eine kreative Haltung, die es schon seit Hunderten von Jahren gibt. Vielleicht 0,05 Prozent der Menschen haben diese bestimmte Neugier, die wir heute bei Jazzmusikern finden: Sie sind Erfinder, die nach neuen Lösungsansätzen suchen. Am wirksamsten kommt diese Haltung in der Improvisation zum Ausdruck. Die Beatles, John Adams, Miles Davis haben diese Haltung, diesen künstlerischen Ausdruck, von dem ich spreche. Die kulturellen Mächte, die am Werk sind, etwa um einen Kanon zu begründen, interessieren mich heute weit weniger als die Resultate kreativer Tätigkeit. Völlig unterschätzt wird, wie ich glaube, wie stark die Musik auf die Menschen und ein auf positive Werte gerichtetes Handeln wirkt.

Sollte es einen kulturellen Besitzanspruch auf Musik geben, etwa als Ausgleich für fehlende ökonomische Gleichstellung und soziale Akzeptanz?

Rassismus ist keine Erfindung der USA, doch er existiert, und wir müssen darüber sprechen. Jazz, Schwarz und Weiß, das sind Begriffe, die nicht fassbar machen, was passiert, wenn zwei Töne sich treffen und etwas Cooles daraus entsteht. Es gibt produktive Wege, Übereinstimmung und Einheit zu finden, die ich bevorzuge, anstatt ständig die Gegensätze hervorzuheben. Mein Urgroßvater war Deutscher, Pfefferkorn war sein Name. Doch ich habe nicht das Gefühl, dass mich diese Tatsache kulturell in die Nähe von Bach führt. Ein Afroamerikaner hat keinen Besitzanspruch auf die Musik, nur weil Charlie Parker auch schwarz war. So funktioniert Kunst nicht. Jeder muss seinen eigenen Weg finden, es geht immer in der Kunst vom Nullpunkt aus. Zudem ist die gegenwärtige öffentliche Kultur uns offen feindlich gesonnen, keiner von uns ist in der Position, Begriffe zu verändern oder neu zu etablieren. Ich glaube deshalb auch nicht, dass die aktuelle Diskussion über eine Umbenennung des Jazzbegriffs in Black American Music, die Sie damit wohl ansprechen, auch nur einen Hauch von Bedeutung hat. Musik ist eben keine Frage des Namens. Allein gute Noten haben lang anhaltende Bedeutung, sie allein transportieren Werte, die weit über uns hinausweisen, wie zum Beispiel Bach.

Sehen Sie heute noch Entwicklungsmöglichkeiten für das Gitarrenspiel?

Ich bin Jazzgitarrist von Anfang an, doch sehr schnell kamen für mich Fragezeichen und Lösungen. Ich habe geforscht, was die Gitarre im Jazz noch kann, und das führte buchstäblich zur Neuerfindung und Erweiterung der Instrumente, zur Entwicklung von Gitarrensynthesizern und akustischen Gitarren. Mein erster musikalischer Akt war, mein Instrument in den Verstärker einzustöpseln. Und ich würde sogar sagen, dass ich Gitarre und Verstärker spiele. Das Equipment ist viel mehr als nur ein technisches Hilfsmittel. Es sind für mich Instrumente. Ich habe mit Strom zu tun wie Saxofonisten mit Mundstücken, alles gehört zusammen. Manchmal spiele ich heute ein ganzes Album mit einer Gitarre, manchmal verwende ich für ein einziges Stück 30 verschiedene Gitarren, je nachdem, welche Sounds die Geschichte, die ich erzählen will, verlangt.

Sie bezeichnen sich als Perfektionisten. Ist das ein Problem?

Es geht immer um die Verbesserung meiner Ideen und die beschreibenden Qualitäten, die Dechiffrierung dessen, was ich vorher in meinem Kopf höre. Ich gehöre zu den Musikern, die in ihrem Werk eine Ähnlichkeit aufweisen, die gewollt ist. Ich bereue nichts, ich spiele heute einfach mit einer Erfahrung und dem Wissen, das ich mir in den letzten Jahrzehnten auf der Bühne und im Studio angeeignet habe. Als ich meine erste Platte machte, spielte ich mein Instrument ja erst wenige Jahre, heute kann ich ganz exakt das umsetzen, was ich mir beim Komponieren vorgestellt habe. Das ist das Resultat davon, ständig etwas verbessern zu wollen. Für mich klingt das sehr organisch. Innerlich höre ich meine vielen verschiedenen Aufnahmen, die ich über die Jahre gemacht habe, wie ein einziges Album. Alles ist miteinander verbunden. Das ist die Geschichte meines Lebens.

Interview: Christian Broecking.

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