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Kultur: Nur herein, Gevatter Tod

„Gespräche mit dem Engel“: ein zartbitterer Robert-Gernhardt-Abend im Berliner Ensemble

Sicher kann man bei diesem Dichter nie sein. Robert Gernhardt, 1937 in Reval (Estland) geboren und im Juni dieses Jahres nach einer Krebserkrankung gestorben, war einer, der sich den Spaß in mannigfaltiger Weise untertan machte. Die Welt und den Menschen in ihr heiter betrachtend, mit einer fast lässigen Überlegenheit, blieb er doch ernst, grüblerisch, oft auch bitter.

Gernhardt schrieb Gedichte und Geschichten, war Drehbuchautor und Cartoonist, begnadeter Satiriker und ständig in der Auseinandersetzung mit sich selbst: „Die große Menge wird mich nie begreifen, die Pfeifen.“ Was das Leben hergibt an Freuden und Leiden, hat er zu packen versucht, in Vers und Prosa, und immer münden die poetischen Erfindungen in eine verblüffende Pointe. Aber die entzieht sich dem Eindeutigen, sie lässt Denkräume zu, sie ist deutbar, sie provoziert mit Lust den Widerspruch. Gernhardt preist die Mädchen, die Frauen und den Wein, er weiß um Krankheit und Alter, kennt den Genuss und den Schmerz. Vor allem ist er ein Meister der Sprache, die er, wie ein übermütiger, süchtiger Spieler, mit Leidenschaft und Liebe zum Leuchten bringt.

So hat er auch die Literatur durchforstet, von der Bibel über die griechische Mythologie bis hin zu seinen Zeitgenossen. Und er hat sich seinen Vers darauf gemacht, gescheit, respektlos, angriffslustig. Er war, wie er die Kapitel einer seiner Gedichtsammlungen ordnete – lieblich, persönlich, natürlich, künstlich, lässlich, beweglich, alltäglich, endlich, herzlich.

Das Berliner Ensemble hat Robert Gernhardt jetzt einen Abend gewidmet: „Gespräche mit dem Engel“. Im Pavillon, auf einer weißen, silbrig glänzenden Schräge, spielen, musizieren und singen sechs in strenges Schwarz gekleidete Schauspieler – drei Frauen, drei Männer. Sie werden zu Stellvertretern aller menschlichen Bemühungen, sich dem Dasein zu stellen und es zu meistern. Jutta Ferbers hat den Raum entworfen, die Texte zusammengestellt und das Spiel inszeniert. Dem Heiteren, dem Nachdenklichen gibt sie Gewicht, lädt die Komödianten ein, mit deutlicher, fast ein wenig ruppiger Gestik ans Licht zu holen, in Bewegung zu bringen, was Gernhardts Poetik ausmacht – die Umschläge von Zärtlichkeit in Sarkasmus, von Ironie in Bitterkeit, von parodistischer Lust in grüblerischen Ernst.

Christina Drechsler, Ursula Höpfner, Judith Stößenreuter, Dirk Ossig, Martin Schneider, Konrad Singer und Arna Aley (Violoncello) bauen Bilder, entwerfen kurze Szenen, geben sich an Melodien hin – im Nachdenken über die Wechselfälle in diesem kurzen Leben. Zum Schluss bleibt, wie bei Kleist, ein „Ach“: „Ach, noch in der letzten Stunde / werde ich verbindlich sein. / Klopft der Tod an meine Türe / rufe ich geschwind: Herein!“

Wieder am 14. und 27. November.

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