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Kultur: Oberfläche!

Paolo Sorrentino über Rom und die Society.

„La grande bellezza“ wirkt wie eine große Reminiszenz an Fellinis „La dolce vita“. Wollten Sie eine Art Remake drehen?

So sollten Sie das nicht sehen. Mich fasziniert einfach die Stadt Rom. Sie ist so universell, sie bietet immer genug Stoff für einen neuen Film. Klar spukte da auch Fellini durch meine Fantasie, aber wohl eher unbewusst, er ist schließlich einer meiner Lieblingsregisseure.

Dennoch: Die Dekadenz, die Langeweile der Society, die Leere, die die Hauptfigur Jep Gambardella vor sich herträgt: Das erinnert schon sehr an Fellinis Marcello.

Es mag dieselbe Gesellschaftsschicht sein, aber ihr Selbstverständnis hat sich in den letzten 50 Jahren stark verändert. Heute ist sie viel gewöhnlicher und stilloser. Die Welt, die Fellini beschrieben hat, war noch exklusiv. Also war es aufregend, dort hineinzusehen. Heute weiß man ja, wie es läuft. Dennoch erzähle ich in so einer Welt gerne meine Geschichten, trotz ihrer Oberflächlichkeit.

Vielleicht, weil Sie nur an einer komprimierten, übertriebenen Version der Wirklichkeit interessiert sind?

Wenn Sie auf die Grundzüge meiner Arbeit in zwei Sätzen hinauswollen: Das ist natürlich schwierig. An der Realität interessieren mich ihre verborgenen Aspekte. Auf einer Feier zum Beispiel laufen die Leute meist zuerst zum Buffet oder besorgen sich was zu trinken. Ich dagegen schaue mir viel lieber das Schlafzimmer der Gastgeber an. So erfinde ich mir meine Realität.

Toni Servillo spielt in Ihren Filmen meist die Hauptrolle. Entwickeln Sie Ihre Drehbücher mit ihm im Kopf? Oder wollen Sie von älteren Männern erzählen, und da fällt Ihnen gleich Servillo ein?

Ich schreibe und denke dabei an Servillo, nicht andersherum. Für das Alter interessiere ich mich, weil ich es noch nicht kenne – aus reiner Neugier. Und Servillo fügt meinen Figuren immer etwas Neues hinzu. Das ist ungemein bereichernd.

Eines aber haben Ihre Filmhelden gemeinsam: Sie wirken sehr lebenserschöpft.

So ist das eben. Man versteht das Leben leider immer erst, wenn es schon zu spät ist. Mit 30 weiß man, was man mit 20 hätte tun sollen. Mit 40 weiß man, was mit 30 richtig gewesen wäre. Und immer so fort. Das ist ein Gedanke, der sich durch alle meine Filme zieht.

Die Fragen stellte Karl Hafner.

PAOLO SORRENTINO,

geboren 1970 in

Neapel, hat als Auto-

didakt seit 2001 sechs Filme gedreht, darunter die Polit-

satire „Il Divo“ (2008)

und „This Must Be

the Place“ (2011).

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