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Kultur: Odyssee 2013 Kagel als Science-Fiction

in der Deutschen Oper.

Zeitgenössisches zuerst: Eine gute Strategie, um die neue Spielzeit zu eröffnen. Dietmar Schwarz scheint sie an der Deutschen Oper zur Tradition machen zu wollen. 2012 begann er seine Intendanz programmatisch mit Lachenmanns „Mädchen mit den Schwefelhölzern“. Jetzt zeigt das Haus – vor der „Nabucco“-Premiere am 8. September – wieder ein modernes Stück, freilich ein kürzeres. Mauricio Kagels „Himmelsmechanik“ von 1965 dauert nur wenige Minuten. Vor dem imaginierten Hintergrund einer Sci-Fi-Katastrophe, die an Urängste rührt – der Himmel hat sich „verschwenkt“, die Welt ist aus den Angeln – zerlegt Kagel die klanglichen Mechanismen von Musiktheater. Im oberen Foyer donnern Pauken, zischt die Windmaschine, knistert Papier, prasselt Regen (Leitung: Kevin McCutcheon). Ein Nachrichtensprecher (Libretto: Christiane Neudecker) verheddert sich in Loriotscher Manier: Kagel störte sich daran, dass in der medial geprägten Welt die entsetzlichsten Ereignisse nach wenigen Tagen zur Fußnote werden.

Im unteren Foyer dann die Fortsetzung, „Dass die Welt verrückt sein mag“, neu komponiert von Christian Steinhäuser. Ein Labyrinth aus schiefen Kulissen, entortete Welt, Schwindelgefühle. Flackernde Leuchtbänder, nach Datenströmen aus dem Genfer CERN. Knarzende Saiten, vier wandelnde Sänger mit Partituren auf E-Books. Alles schwankt, fließt, löst sich auf. Steinhäuser und Regisseur Sven Sören Beyer vom Künstlerkollektiv „phase 7“ gelingt es, Kagels Zersetzung traditionellen Musiktheaters weiterzuführen, die Ingredienzien aus Bewegung, Klang und Licht grell herauszupräparieren.

Im letzten Raum ziehen alle Besucher Forscherkittel an, das schafft ästhetische Uniformität. Die Sänger stehen auf Podesten, stammeln Formeln, versuchen die Welt wieder geradezurücken, vergeblich. Steinhäusers Musik verliert jeden Halt; dafür sorgt ein Ring aus 75 Lautsprechern, das Schlagwerk spielt live, die Streicher werden eingespielt. Klangwellen überlagern sich, Ortung unmöglich. Die Sänger verschwinden auf ihrer Expedition, wie Dave Bowman in Kubricks „2001 – Odyssee im Weltraum“. Den Nachrichten ist das nur noch eine Kurzmeldung wert. Vor dem Wetter. Udo Badelt

wieder heute, 25.8., und 26.8., 21 Uhr

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