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Kultur: Öffentliche Musenküsse

Die "WindSpiegelWand" von Olafur Eliasson am GTZ-Haus am Potsdamer Platz. Leni Hoffmanns bunte Knete am Haus der Deutschen Wirtschaft.

Die "WindSpiegelWand" von Olafur Eliasson am GTZ-Haus am Potsdamer Platz. Leni Hoffmanns bunte Knete am Haus der Deutschen Wirtschaft. Jeff Koons Skulptur bei Debis am Potsdamer Platz - Beispiele für ortsbezogene künstlerische Interventionen der letzten Jahre. Noch im Oktober vergangenen Jahres zeigte der Bund mit der Ausstellung "Kunst am Bau" einen Überblick über all die Arbeiten für die Regierungsneubauten. Die stolze Präsentation im Staatsratsgebäude weckte den Eindruck, dass Kunst am Bau eine ausgemachte Sache sei. Tatsächlich schien der hauptstädtische Bauboom der Kunst in und an Gebäuden einen neuen Stellenwert beschert zu haben. Allein die Bereitschaft des Bundes, für Kunst nicht die vorgeschriebenen zwei, sondern drei Prozent der Bausummen auszugeben, wurde als Bekenntnis verstanden und die Auswahl als Messlatte für Künftiges.

Inzwischen herrschen Zweifel an der Zukunft des Genres. Konsens herrscht darüber, dass es nicht Aufgabe der Künstler sein kann, mit applikativen Maßnahmen mehr oder weniger gelungene Gebäude mehr oder weniger zu veredeln. Die Tendenz geht daher weniger zu solitären Setzungen denn zu Interventionen im Stadtraum. So zeigt sich die Freiluft-Ausstellung "transportale" betont prozesshaft: Schon jetzt sind die Vorbereitungen zu den Arbeiten, die 2003 entlang der S-Bahn-Linie 2 Mobilität und Stadt thematisieren werden, im Haus am Kleistpark zu sehen (Grunewaldstraße 6-7, Schöneberg, bis 26. Mai, Dienstag bis Sonnabend 14-19 Uhr). Doch auch Interventionen haftet der Ruch der Indienstnahme an: "Subversion oder Repräsentation? Stadtkunstprojekte zwischen Stadtmarketing und Standortpflege", titelte bereits eine Podiumsdiskussion zu jener "Kunst am Bau"-Ausstellung im Herbst.

Zum zweiten aber drückt die Rezession, und die hat noch weitreichendere Konsequenzen. Die öffentliche Hand hat sich zwar verpflichtet, ein halbes bis zwei Prozent der veranschlagten Baukosten für Künstlerhonorare und Herstellungskosten ausgeben, aber der zuständige Fachbereich der Bauverwaltung musste schon im letzten Sommer die Baudienststellen mit einem Rundschreiben an diese Soll-Vorschrift erinnern. "Wenn alle Bauvorhaben Kunst realisieren würden, wie es die Verwaltungsvorschrift sagt, sähe es für die Kunst am Bau gar nicht so schlecht aus," heißt es dann auch skeptisch aus dem Berliner Berufsverband Bildender Künstler (BBK). Hier sorgt man sich wegen der Etats. In den Jahren 1999 bis 2001 schrumpfte das Gesamtvolumen der Wettbewerbe, die der BBK begleitete, von 10,5 Millionen Mark auf 8,46 Millionen. Bei Kunstvorhaben von rund 10 bis 25 000 Euro jedoch sei es fraglich, ob sich Wettbewerbe überhaupt noch lohnten, mahnt Elfriede Müller vom BBK-Büro für Kunst im öffentlichen Raum. "Kunst nach Vorschrift wird als soziale Maßnahme missverstanden," kritisiert auch der Düsseldorfer Galerist Wolfgang Gmyrek.

Für die Privatwirtschaft gilt die Soll-Vorschrift selbstverständlich nicht. Und viele Unternehmen haben den Bedarf an Büroflächen überschätzt und damit ihre Gewinne. Für anspruchsvolle künstlerischen Vorhaben bleibt wenig Spielraum. Da ist es wohl kein Zufall, wenn zwei auf Kunst am Bau spezialisierte Berliner Art Consultants ihren Kurs geändert haben. So hat sich das Art Consulting-Unternehmen Heimer & Döring in Heimer & Partner umbenannt: Namensgeber Peter Heimer arbeitet inzwischen als Galerist in der Dircksenstraße. Nur im Hintergrund werden weiterhin Firmensammlungen und Kunst-am Bau-Projekte betreut. Die ehemalige Galeristin und Kunstberaterin Silvia Menzel wiederum konzentriert sich mit ihrer Firma Art Concepts inzwischen auf flexible Großprojekte. "Kunst am Bau in der alten Form gibt es so nicht mehr", meint Menzel. Stattdessen entwickelt sie mit Bauherren und Architekten jetzt ein "Gesamtkunstkonzept" für einen Berliner Bürokomplex namens "Stadtpassage", das auf die Integration von Bauwerk und Kunst setzt. Zur Dauerpräsentation künstlerischer Arbeiten etwa in einem Skulpturenhof kommen hier Wechselausstellungen in Vitrinen. Außerdem sucht Menzel im Auftrag der Andy Warhol Foundation temporäre Räume für Warhols Dollar-Bilder. An die Stelle der groß angelegten Vermittlung von Kunst am Bau rückt hier die langfristige Betreuung von Projekten, die mit dem Haus des Unternehmens zur Corporate Identity verschmelzen und flexibel genug sind, um sich neuen Anforderungen anpassen zu lassen.

Noch ist der viel zitierte Aufschwung nicht in Sicht, aber die Kunst am Bau soll dennoch Zukunft haben. Gerade die Galeristen wollen den erhofften zusätzlichen Absatzmarkt nicht aufgeben und leisten Vermittlungsarbeit. "Wir suchen Anbindung an ein größeres Publikum", heißt es aus der Galerie neugeriemschneider, die Eliassons Spiegelwand betreut. "Arbeiten in Gebäuden und im Stadtraum sollten den gleichen Stellenwert haben wie Arbeiten im Museum." Dafür aber müsste die Wirtschaft nicht nur finanziell mehr Risikobereitschaft zeigen. Auf den Geschmack kommt vielleicht mancher in diesem Sommer: Parallel zum Weltarchitekturkongress, der Ende Juli in Berlin stattfindet, wollen Galerien aus Mitte in Zusammenarbeit mit dem Bund deutscher Architekten Kunst zeigen, die zur Archittektur Stellung bezieht. Und die öffentliche Hand? Höchst unwahrscheinlich, dass der Bund noch einmal eine neue Hauptstadt aus dem Boden stampft.

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