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Kultur: Ökosteuer: Hohe Energie

Eines ist sicher: die Ökosteuer. Sie bleibt, denn sie sichert die gesetzliche Rente mittlerweile mit beträchtlichen Summen.

Eines ist sicher: die Ökosteuer. Sie bleibt, denn sie sichert die gesetzliche Rente mittlerweile mit beträchtlichen Summen. Zwar kann die Regierung den angepeilten Beitragssatz von 19,0 Prozent im nächsten Jahr nicht ganz erreichen. Erst am Donnerstag musste der Bundestag beschließen, dass die Rücklagen für die Rentenkassen auf 80 Prozent abgeschmolzen werden. Die fehlende Sicherungsmarge von 20 Prozent hilft Finanzminister Hans Eichel, den Beitragssatz zur Rentenkasse nicht auf 19,4 von jetzt 19,1 Prozent anheben zu müssen.

Doch ungeachtet dessen ist die Ökosteuer mit 21,9 Milliarden Mark mittlerweile ein wichtiger Teil der Bundeseinnahmen. Deswegen ist Eichel auch weiterhin an der kräftig sprudelnden Energiesteuer höchst interessiert und möchte die zunehmenden Zwistigkeiten mit der EU-Kommission über die Ausnahmen für die Industrie, Land- und Forstwirtschaft schnell ausräumen.

Mit EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti hat er sich am Mittwochabend beim Abendessen geeinigt, dass sie sich einigen werden. Beide wollen noch bis Ende des Jahres eine Lösung finden, wie die Unternehmen weiterhin nur 20 Prozent des Ökosteuersatzes für Strom, Öl, Gas und andere Betriebsstoffe zahlen. Damit entgehen Eichel immerhin rund fünf Milliarden Mark Steuern pro Jahr.

Wettbewerbshüter Monti sieht darin eine unzulässige Beihilfe und mag nicht erkennen, warum ausgerechnet die energieintensiven Branchen von der Ökosteuer ausgenommen sind. Sinn der ungeliebten Steuer ist ja gerade, dass Strom oder Benzin teurer werden, die Verbraucher deswegen Energie sparen und die Umweltbelastung und den Treibhauseffekt verringern. Warum, moniert Monti, sollen dann Chemieunternehmen, Stromproduzenten oder Schweinemäster keine Ökosteuer zahlen?

Dabei ist der strenge Hüter über das EUWettbewerbsrecht nicht grundsätzlich gegen Subventionen in Form von Steuererleichterungen. Aber sie müssen zumindest an Auflagen für den Umweltschutz gebunden sein. Die freiwillige Selbstverpflichtung, wie sie die deutsche Industrie im vergangenen Jahr unterschrieben hat, reicht Monti nicht. Darin haben sich die Unternehmen zwar verpflichtet, zusammen 35 Prozent weniger klimaschädigende Gase bis 2012 im Vergleich zu 1990 auszustoßen. Dieses Ziel wollen sie aber gemeinsam erreichen, für einzelne Unternehmen haben sie keine Zielgrößen vereinbart. Die Musketier-Haltung "Einer für alle" hilft zwar allen - denn schon durch den Strukturwandel verringern sich die Emissionen. Monti fordert aber verbindliche Klimaschutzziele von der deutschen Regierung für ihre Wirtschaft und vor allem - Sanktionen, wenn die Industrie die Ziele nicht erreicht.

Eichel und seine Beamten müssen daher schnell eine Lösung finden, wie sie die Reduktionen der Industrie überwachen, notfalls bestrafen und welche Ziele sie selbst vorgeben. In Regierungskreisen heißt es, man wolle nach einer Übergangsfrist von zwei oder drei Jahren die Unternehmen verpflichten, Öko-Audit-Berichte zu erstellen. Darin schlüsseln Unternehmen auf, wie viel Energie, Wasser und Rohstoffe sie verbrauchen und welche Schadstoffe sie durch ihren Betrieb verursachen. Prüfer können also durch die Berichte die ökologische Situation der Betriebe kontrollieren - ähnlich wie sie sich über die Finanzen im Geschäftsbericht informieren können.

Aber auch die Unternehmen profitieren von den Öko-Audits, sehen sie doch endlich, wo sie die auch ohne die Ökosteuer teure Energie einsparen können. "Öko-Audits sind Gold wert", sagt Albert Schmidt, Umweltexperte der Grünen. Ganz in Ruhe und ohne Hast könnte die Regierung eine Lösung für Ausnahmen der Industrie finden: Um den Klimaschutz voranzubringen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stärken.

Ob dieser rot-grüne Ausweg aus Brüsseler Sicht ausreicht, dazu gab sich Montis Sprecher Michael Tscherny ausgesprochen wortkarg: Man habe "fruchtbare Gespräche" geführt, die nun fortgesetzt werden müssten. Über die Früchte des Dialogs wollte er aber nichts sagen: Man sei sich über die Grundsätze einer Lösung näher gekommen, müsse aber noch viele Details klären. Doch ungeachtet der Schalmeienklänge am Tag nach dem ungewöhnlich nächtlichen Treffen zwischen Monti und Eichel scheint festzustehen: Aus Brüsseler Sicht kann es so wie bisher nicht weitergehen.

Andererseits denkt die EU-Kommission gar nicht daran, das deutsche Ökosteuergesetz in Frage zu stellen und damit die rot-grüne Koalition in politische Schwierigkeiten zu bringen. Ihr gehe es lediglich, sagt sie, um die auch bei den Grünen umstrittenen Ökosteuer-Nachlässe. Denn die zählen als Beihilfen und sind nach dem europäischen Wettbewerbsrecht grundsätzlich verboten - sofern sie dauerhaft und zum Schaden des Wettbewerbs gewährt werden. Die Spielräume von Kommmissar Monti, Eichel und der Berliner Regierung entgegenzukommen, sind deshalb eng begrenzt. So jedenfalls will es das EU-Recht.

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