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Kultur: Österreich pur - der erste Langfilm von Regisseur Stephan Wagner, hat mit Kuba sowenig zu tun wie Wien mit Havanna

Kubanisch Rauchen geht so: Zigarette stets senkrecht halten, bei jedem Zug den Kopf in den Nacken legen, genüsslich den Rauch gen Himmel blasen, unter keinen Umständen (!) abaschen.

Kubanisch Rauchen geht so: Zigarette stets senkrecht halten, bei jedem Zug den Kopf in den Nacken legen, genüsslich den Rauch gen Himmel blasen, unter keinen Umständen (!) abaschen. Ergebnis: ein kleiner, schiefer Turm aus Asche bildet sich auf dem Filter. Ziel: Optimaler Rauchgenuss durch bewusstes Erleben des Vorgangs. Schwierigkeit: die Asche so balancieren, dass sie weder rechts noch links herunterfällt.

Was das mit Kuba zu tun hat? Ungefähr so viel wie Wien mit Havanna, doch dazu später mehr. Zunächst das Offensichtliche: Wien, späte Neunziger, grobkörniges Schwarz-Weiß. Bernd (Thomas Morris) und Paul (Simon Licht) sind Anfang dreißig, in dem Alter also, in dem die Freundin keine Lust mehr auf Sex hat, die Parties lau werden, und man feststellt, dass man nicht mehr fremdbestimmt arbeiten will. Sie tun das Naheliegende: Geld auftreiben und einen Antiquitätenladen eröffnen. Das Geschäft läuft gut, und alles wäre O.K., wenn die Vergangenheit nicht wäre: Bernd hat als Schutzgelderpresser gearbeitet und sein Ex-Chef Dragan (Seymour Cassel) bittet ihn öfter um Gefälligkeiten; Paul verliebt sich in Lisa (Tatjana Alexander), doch von Evas Eltern (Eva-Maria Straka), mit der er seit vier Jahren zusammen wohnt, kommt das Geld für den Laden. Anlass genug also für Zerwürfnisse, Gewalt und Komik.

Die Story ist banal, so banal wie das Leben. Aber darauf kommt es dem 1968 in Mainz geborenenen Regisseur Stephan Wagner in seinem ersten Langfilm nicht an. Was zählt - und das ist das Erfreulichste an "Kubanisch Rauchen" - ist Ehrlichkeit. Deshalb wird im Film so hemmungslos drauflos gewienert, dass man instinktiv nach Untertiteln sucht; deshalb mampfen Bernd und Kollege Erwin ihre Käsekrainer geräuschvoll wie die Säue, und deshalb darf Paul so spastisch Luftgitarre spielen (im Autoradio läuft Motörhead), wie er es wahrscheinlich auch zu Hause tut.

Stephan Wagner hat in Interviews immer wieder betont, dass "Kubanisch Rauchen" nicht mehr gekostet habe als ein Kleinwagen. Vielleicht ist das der Schlüssel zur Authentizität: Wer kein Geld hat für Spezialeffekte, teure Requisiten und überflüssige Kulissen, der kann sich auch nicht dahinter verstecken, der muss glaubhaft erzählen und sich auf die Präsenz seiner Darsteller verlassen.

Mit Simon Licht und Paul Morris standen Wagner zwei alte Bekannte zur Verfügung - Licht spielte schon in den Kurzfilmen "Sushi" (ausgezeichnet 1992 auf dem Filmfest Potsdam) und "Nachtbus" (1995 der österreichische Beitrag für den Studenten-Film-Oscar), Thomas Morris in "Großwildjagd". Beiden können Konflikte der Mann-Werdung anschaulich machen und haben keine Hemmungen, sich vor der Kamera auszuleben. Ihnen gilt die ganze Aufmerksamkeit des Films, womit wir beim "Aber" wären: Denn "Kubanisch Rauchen" ist ein Buddy-Film. Wagner singt ein Hochlied auf die Männerfreundschaft, Lisa und Eva funktionieren nur als Beiwerk und haben kaum Gelegenheit sich zu entwickeln. Dabei wäre es auch interessant gewesen, zu erfahren wie die beiden Frauen den Lebensabschnitt Anfang dreißig erleben.

Paul und Bernd jedenfalls leben wie sie rauchen: kubanisch. Aus dem Wenigen was sie haben, versuchen sie das Maximum herauszuholen. Es bedeutet aber auch: immer auf der Kippe stehen. So wie die kleinste Bewegung den Ascheturm auf der Zigarette nach links oder rechts kippen kann, so können auch Paul und Bernd jederzeit abstürzen. Ihr Leben ist ein Balanceakt zwischen Geld, Freund, Frau und Freiheit, zwischen Leichtsinn und Verantwortung, und es fällt ihnen zusehends schwerer, das Gleichgewicht zu halten.Eiszeit, Hackesche Höfe, Kino in der Brotfabrik, Nord

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