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Kultur: Offener Himmel, weites Meer Saisonbeginn bei den Berliner Philharmonikern

Von Mechelen bis Haslemere, von Klovborg bis Zutphen, von Gleisdorf bis Kaliningrad: Das Saisoneröffungskonzert der Berliner Philharmoniker drängt in die Welt hinaus. Bild und Ton aus der Philharmonie werden live in 33 deutsche Kinos und an drei Open-Air-Orte übertragen, außerdem in 31 weitere Lichtspielhäuser in elf europäischen Ländern.

Von Mechelen bis Haslemere, von Klovborg bis Zutphen, von Gleisdorf bis Kaliningrad: Das Saisoneröffungskonzert der Berliner Philharmoniker drängt in die Welt hinaus. Bild und Ton aus der Philharmonie werden live in 33 deutsche Kinos und an drei Open-Air-Orte übertragen, außerdem in 31 weitere Lichtspielhäuser in elf europäischen Ländern. Die Rückkehr von Simon Rattle und seinem Orchester aus der Sommerpause als mediales Großereignis: Martin Hoffmann, der neue Intendant und Ex-Fernsehproduzent, will junge Zuschauer für das Orchester gewinnen. Ob man denen ein Kino für einen Konzertsaal vormachen kann?

Die Philharmonie jedenfalls ist restlos ausverkauft und gut bestückt mit Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Kultur, denn dieser Abend ist auch die Bühne des Haussponsors Deutsche Bank. Für weitere Jahre wird das Geldinstitut das Orchester unterstützen, etwa bei der vielkopierten Jugendarbeit der Musiker. Nach „Rhythm Is It!“ soll die Nachwuchsförderung der deutschen Orchester um 75 Prozent zugenommen haben.

Reichweite, Geld und Personalwechsel: Bei diesem Saisonauftakt geht es um vieles. Und wie um die disparaten Erwartungen per Überwältigungsstrategie auf einen Schlag zu erfüllen, stürzt sich Sir Simon mit überschäumender Energie in das Konzert. Das Programm ist so offensichtlich wie hintersinnig zusammengestellt. Natürlich kann man frappierend gut Beethoven spielen, und mit Mahler trat Rattle sein Amt in Berlin an. Gleichzeitig sagt die Kombination aus Beethovens vierter und Mahlers erster Symphonie viel über den Chefdirigenten und sein stetes Ringen aus, seinen mitunter auch harsch kritisierten Wunsch, nicht endgültig anzukommen, nicht fertig zu werden – in der Musik, mit dem Leben.

Beide Werke beginnen mit liegenden Klängen, nehmen ihren Auftakt im Immateriellen, in der Idee, in einer Sehnsucht. Diese Klänge werden Musik, weil sie wachsen, ihr Potenzial ausloten wollen, ohne dabei ihre Grundspannung zu verlieren. Im Aufschließen dieser Kopfsätze offenbart sich Rattles ganze Hingabe, sein Gespür, seine Liebe. Da schwingt viel Haydn im Beethoven mit, und Mahlers „Titan“ verliert das schwül-gewittrige Klima, das Katastrophen verheißt. Holz- und Blechbläser gerinnen zu einem einzigen Instrument, das Fernorchester zieht einen Raum von großer Klarheit auf. Und auch die aberwitzige Rustikalität, die Rattle und seine Musiker mit Beethoven entdeckt haben, rumpelt elegant übers Podium. Doch nach dem Aufreißen des schier endlosen Horizonts und dem ersten Spielen darunter kommt das Durchhalten, das Gegenhalten auch. Mahlers Erste wird am Ende sehr laut – und Rattles Interpretation weicht einer gleißenden Weißblende.

Folgen Jubel und Blumen und viele warme Worte für die scheidende Intendantin Pamela Rosenberg. „You are in our hearts“, sagt Rattle, Kulturstaatssekretär André Schmitz zollt Anerkennung für die freundliche Beharrlichkeit, Nachfolger Hoffmann meint, jetzt erst die ganze Schwere seines neuen Jobs zu erahnen. Das Orchester schenkt Rosenberg einen Segelkurs auf dem Wannsee, ihre neue Arbeitsstätte, die American Academy, liegt da nicht weit. Der Philharmoniker-Dampfer pflügt weiter durch die Weltmeere. Ulrich Amling

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