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Kultur: Oh ja, Troja!

Chapeau für Chaplin: Es spricht der Regisseur

Signore Benigni, warum spielt Ihre neueste Komödie ausgerechnet im Irak?

Sie könnten genauso gut fragen: Warum eine Komödie in Rom? Weil es Rom gibt! Den Irak gibt es und diesen dummen Krieg gab es auch. „Der Tiger und der Schnee“ ist ein Märchen, und das Setting eines Märchens kann heute nicht mehr der dunkle Wald sein, sondern ein Krieg wie jener im Irak.

Ist Ihr Film ein Märchen, eine Komödie, ein Liebesfilm oder ein Antikriegsfilm?

Er ist alles auf einmal!

Das müssen Sie erklären.

Der Film hat eine archetypische Märchenstruktur: Ein Held rettet seine Geliebte und muss dabei etliche Prüfungen bestehen. Es ist also auch ein Film über die Gewalt einer Liebe, die wie ein Tiger ist. Ein Film über die Liebe ist aber immer auch ein Film gegen den Krieg. „Der Tiger und der Schnee“ ist nicht gegen diesen, er ist gegen jeden Krieg. Ich mag ideologische Filme nicht, denn sie gehen in den Kopf hinein und gleich wieder hinaus.

Aber Sie benutzen den Krieg als Kulisse.

Wenn Helena nicht gewesen wäre – wer würde Homer lesen?

Aha. Also mit Poesie und Liebe gegen das Hässliche in der Welt?

Kunst ist natürlich keine Tat. Aber nur mir ihrer Hilfe lassen sich Wut und Trostlosigkeit in eine Tat umsetzen. Und es gibt in diesem Film ja eine gewaltige Tat. Ich will zeigen, dass wir nur frei sind, wenn wir lieben, und dass diese Liebe eine wilde und gefährliche Kraft ist, vor der sich die Mächte dieser Welt fürchten.

Sie legen Ihren Figuren oft die Idee völliger Reinheit zugrunde. Ein bisschen naiv.

Aber das ist ja gerade das Schöne daran! Sie haben Recht, Reinheit ist wirklich grundlegend in allem, was ich geschaffen habe, in meinen großen Filmen, auch in den kleinen. Sie ist etwas Gewaltiges.

Gibt es deshalb keine Bösen in Ihrem Irak?

Oh doch, das Böse gibt es. Aber nicht die US-Soldaten, diese armen Kerle, die ja gar nicht wissen, warum sie diesen Krieg führen müssen. Wir tragen den Krieg doch alle in unserem Herzen. Die Frage ist: Warum entsteht diese Gefühl, dass man etwas zerstören will? Der Selbstmord von Fuad ist das Schlimmste, was in meinem Film passiert, und es ist fast wie die Verwandlung bei Kafka – die Rückkehr eines Dichters zum Bestialischen des Menschen. Ich drehe klassische Tragödien: Das Schlimme wird nicht gezeigt, und doch sieht man es.

Verstehen Sie dennoch jene Kritiker, die Ihnen Verharmlosung vorwerfen?

In Italien gibt es dieses furchtbare Wort des „buonismo“, es bedeutet so viel wie „Schönreden“. Wer mir das vorwirft, hat das Archetypische des Films nicht verstanden. Wenn man aber ein Kunstwerk schafft, dann wechselt man das Element, man benutzt andere Mittel als im Dokumentarfilm. Die Pflicht eines Künstlers ist es, eine Geschichte zu erzählen, und die Kategorie der Wahrheit ist dann eine ganz andere. Wir sind viel zu sehr an Dokumentarfilme gewöhnt, an Fotos und Bilder von Gewalttaten. Das halten wir dann für wahr. Es ist fast pornografisch.

Aber warum nicht einen Film über Berlusconi? Im Fernsehen spotten Sie über ihn.

Über Berlusconi kann man einen Gag machen, eine Parodie vielleicht, was Kurzes jedenfalls. Er ist ein kleiner Clown, keine Persönlichkeit, aus der man einen ganzen Film entwickeln könnte.

An einen großen Clown dagegen erinnert „Der Tiger und der Schnee“ vor allem gegen Ende . . .

. . . das stimmt. Mit diesem Film verbeuge ich mich vor Charlie Chaplin. Er ist natürlich unerreichbar. Aber jeder Komiker dieser Welt sollte einmal in seinem Leben eine Hommage gemacht haben an unseren großen Fürsten.

Das Gespräch führte Sebastian Handke.

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