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Olafur Eliasson

© Spiekermann-Klaas

Olafur Eliasson: Wunderkind im Spiegelland

Olafur Eliasson ist ein Star der Kunstszene. An der Berliner Staatsoper gestaltet der Däne nun sein erstes Bühnenbild.

Nein, ein Opernfan ist er nicht unbedingt, der dänische Lichtkünstler Olafur Eliasson. Steht in seinem Atelier in Berlin und lästert über diese Kunstform, die sich so weit von der Wirklichkeit entfernt und in einen elitären Zirkel zurückgezogen habe. Ein unglaubliches Spektakel sei so ein Opernbesuch schon, müsse er zugeben, auch wenn er selbst kein traditioneller Operngänger sei. Aber dann kämen die Leute aus der Aufführung, und mit ihrer Lebenswirklichkeit habe das, was sie erlebt haben, nichts zu tun. Weshalb wir, so der sympathisch entspannte Künstler, der nun für die Staatsoper zum ersten Mal in seinem Leben ein Bühnenbild gestaltet, noch einmal ganz von vorne anfangen müssen. Wie gewinnen wir für die Oper gesellschaftliche Relevanz zurück, war seine Ausgangsfrage. Wie verbinden wir Leben und Kunst?

Weiter könnte der Weg in der Tat kaum sein, vom etwas verlotterten Areal an der Heidestraße, hinter dem Hamburger Bahnhof, wo Olafur Eliasson sein Atelier hat, bis zur schicken Mittewelt Unter den Linden, in das Opernschatzkästchen der Staatsoper. Angenehm geerdet ist in Eliassons luftigem Atelier fast alles, vom Bündel Kräuter in der mäßig aufgeräumten Atelierküche bis zum Kinderball, der hinten im überwucherten Gartenareal im Gras liegt. Noch sitzt auch der 40-jährige Künstler entspannt draußen auf der Bierbank, unter jungen Birken, und im Atelier basteln Assistenten Spiegelfolie auf Drahtgestelle. Doch an der Wand hängt schon das Story-Board für Hans-Werner Henzes Konzertoper „Phaedra“, die am 6. September an der Staatsoper uraufgeführt wird. Regie: Peter Mussbach. Bühnenbild: Olafur Eliasson.

Im Werkstattgespräch jedoch geht es schnell zur Sache: Oper sei ein unglaublich arrogantes Medium, konstatiert Eliasson. Das fange schon mit der Situation im Opernraum an. Da sitzen die Zuschauer, festgebannt auf ihren Sitzen, ohne die Möglichkeit, sich zu bewegen, nach Belieben raus- oder reinzugehen, selbst die Augen blicken alle in die gleiche Richtung: zur Bühne. Kollektive Erwartung stehe im Raum, zusätzlich aufgeheizt durch Musik, ein echtes Gänsehautgefühl, schon unglaublich stark. Und doch eine Art Entmündigung, ein Verharren in der Passivität des rauschhaften Kollektiverlebnisses. In der Kunst, so der Installationskünstler, der bekannt wurde durch seine labyrinthischen Licht- und Spiegelräume, in der Kunst dürfe der Besucher selbst entscheiden, wie lange er bleiben will, wie er sich bewegt, welche Haltung er gegenüber dem Dargebotenen einnimmt. Manchmal, wenn das Werk gar zu überwältigend ausfällt, sei schon hier die Versuchung da, zu still zu werden, zu passiv zu verharren. In der Oper ist das eher der Normalfall.

Nun, jedem ist das Kollektiv vertraut, das er kennt, und ob die Kunstwelt mitsamt ihrem derzeit so aufgeheizten Markt und dem internationalen Starzirkus, in dem auch der in Berlin lebende Däne Olafur Eliasson keine unbedeutende Rolle spielt, derzeit so viel offener, lebensnäher und gesellschaftsrelevanter agiert als die Opernszene, ist die Frage. Doch wie einer, der ganz von außen kommt, mit dem Kollektivorganismus Oper umgeht, ist schon ein interessantes Experiment. Vor allem, wenn es jemand wie Olafur Eliasson ist, der etwa mit seiner legendären Installation „The Weather Project“ 2003 in der Londoner Tate Modern durchaus faszinierende Kollektiverfahrungen geschaffen hat: mit einer gigantischen gelben Sonne, die in der Turbinenhalle des ehemaligen Umspannwerkes schwebte, unter einer verspiegelten Decke, und die Museumsbesucher legten sich auf den Boden, klein wie Ameisen im großen Lichttheater, und winkten ihrem Spiegelbild an der Decke zu.

Spiegel spielen auch in der Staatsoper eine große Rolle, wie nicht anders zu erwarten bei einem Künstler, der regelmäßig mit Kaleidoskopen und ins Unendliche gebrochenen Reflexionen arbeitet. Doch auch zum Inhalt passt diesmal die Form. Phädra, das ist in der Version, die der Komponist Hans-Werner Henze gemeinsam mit dem Lyriker Christian Lehnert geschaffen hat, die Geschichte, das Drama des fragmentierten Menschen. Hippolyt, Stiefsohn der griechischen Königin Phädra, die in einer unseligen Liebe zu ihm entbrannte, wird von seinem entfesselten Pferdegespann zu Tode geschleift – und im zweiten Akt von Henzes den Metamorphosen des Ovid entlehnten Opernversion von der Göttin Artemis auf die Insel Nemi verbracht und dort, als Maschine, als künstlicher Mensch wieder zusammengesetzt.

Eliasson, der Meister der Spiegelwelten, hat dafür im zweiten Akt eine bühnenfüllende „Hippolyt-Maschine“ entworfen, ein Spiegelkaleidoskop, welches das Bild des in ihm gefangenen Sängers unendlich vervielfacht und gebrochen wiedergibt. Doch nicht nur Hippolyt wird fragmentiert, sondern auch der Zuschauer im Opernraum. Wie die Hippolyt-Maschine auf der Bühne funktioniert letztlich das ganze rotsamten-goldene Gehäuse des Staatsopern-Zuschauerraums als gigantische Reflexionsmaschine, wahlweise in rosa, gelbes oder blaues Licht getaucht.

Die Rollen im Raum sind dabei verkehrt. Festgebannt auf dem Sitz hocken, nach vorne blicken, wo auf der Bühne das Operngeschehen abläuft und aus dem Graben die Musik dazu quillt – das verwehrt Eliasson dem Zuschauer konsequent. Er verlegt die Musiker, das 26-köpfige Kammerorchester des Ensemble Modern, nach hinten, auf ein Orchesterpodest im Rücken der Zuschauer. Und füllt den Orchestergraben dafür mit weiteren Sitzreihen auf. Wahrnehmungstheoretisch sei das eine Trennung von Auge und Ohr, erklärt der Künstler, der sich regelmäßig mit Fragen der Phänomenologie beschäftigt. Von hinten, aus dem Dunkel, ertönt die Musik. Und vorn, wo irgendwann eine riesige Spiegelfolie den ganzen Bühnenprospekt füllt, sieht der Zuschauer: sich selbst. Sich selbst als Akteur im Opernzirkus: die im Zuschauerraum versammelte freudige Erwartung als Urstoff, aus dem die Oper ist. Bühnengeschehen dagegen: zweitrangig.

Nur folgerichtig, dass Olafur Eliasson der dänischen Nationaloper in Kopenhagen zuletzt sogar vorgeschlagen hat, eine Oper ganz ohne Musik zu inszenieren. Dass jedoch Musik, Klang, jenes physikalische Phänomen der körperlosen Schwingung, die den Lichtwellen, welche Eliassons Farbräume bilden, so ähnlich sind und auch ähnlich starke Emotionen hervorrufen, den Künstler wenig interessiert zu haben scheint, verwundert allerdings doch. Weniger eine Reflexion der Theatersituation und ihrer gesellschaftlichen Implikationen hätte man von Eliasson erwartet als eine psychedelische Lichtinstallation, die das Operngeschehen ganz in Stimmungen aufhebt.

Doch für die Inszenierung von Staatsopern-Intendant Peter Mussbach hat sich Eliasson kaum mit Henzes Musik auseinandergesetzt, die er erst im Verlauf der Entwurfsarbeit kennenlernte. Auch Henze, der sich erst Ende vergangenen Jahres von einer schweren Erkrankung erholte und den zweiten Akt fertig komponierte, scheint das Bühnenbild eher als zweitrangig betrachtet zu haben. „Etwas mehr rot“, soll er zum Lichtkonzept geäußert haben. Doch wie sich der Effekt von Millionen von Lichtpunkten, die eine Art Diskokugel in den Zuschauerraum wirft, wie sich das abwechselnd verdämmernde und wieder aufstrahlende Licht, ein im unendlichen Weiß auslaufender Bühnenraum oder im Gegenteil die völlige, samtige Schwärze, die zu Beginn nur ein dünner Licht- und Energiefaden durchschneidet, mit seiner Musik verbinden, bleibt die für den Erfolg des Premierenabends doch entscheidende Frage. Auf dass Augen und Ohren des Zuschauers nicht allzu getrennte Wege gehen.

OLAFUR ELIASSON,

geboren 1967 in Kopenhagen, lebt in Berlin. Seine Kindheit verbrachte er in Island und studierte 1989 bis 1995 an der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen. Seit 2006 unterrichtet Eliasson an der Universität der Künste in Berlin.

IN SEINER ARBEIT

beschäftigt er sich vor allem mit Phänomenen wie Licht, Bewegung und Reflexion. 2003

gestaltete er den dänischen Pavillon auf der Biennale in Venedig. Im gleichen Jahr wurde seine Installation in der Londoner Tate Modern ein Erfolg. Im September eröffnet im San Francisco Museum of Modern Art seine erste Ausstellung in den USA. Die Konzertoper „Phaedra“ von Hans-Werner Henze, für die er das Bühnenbild gestaltet, wird im Rahmen des Musikfests am 6. September an der Staatsoper uraufgeführt.

Christina Tilmann

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