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Kultur: Omas Lächeln: Warum man Fernsehbildern mehr trauen muss als den eigenen Augen

Als am Sonntagabend die Golden Globes verliehen wurden, musste ich an George W. Bush und meine Oma denken.

Als am Sonntagabend die Golden Globes verliehen wurden, musste ich an George W. Bush und meine Oma denken. Das passiert in dieser Kombination recht selten. Meine Oma ist vor zehn Jahren gestorben. Dass die Amerikaner zum Mond gefahren sind, hat sie bis zum Schluss nicht geglaubt. Ich war damals acht und sehr aufgeregt, als die Familie im Fernsehen die Landung der Apollo verfolgte. "Ach", sagte meine Oma, "die vom Fernsehen kennen ziemlich viele Tricks. Die Menschen können nicht zum Mond fahren." "Doch", brüllte ich wütend zurück, "das siehst du doch." Oma lächelte ein bisschen eigentümlich.

Am Samstag war ich bei der Amtseinführung des neuen amerikanischen Präsidenten. Es war kalt, voll und verregnet. Außerdem waren so viele Menschen da und die Bushies so weit weg, dass ich über die Distanz durch tausend Regenschirme hindurch fast nichts erkennen konnte. Den anderen Besuchern ging es ebenso. Deshalb schrieb ich anschließend einen etwas enttäuschten Bericht, in dem das Wetter eine wichtige Rolle spielte. Dann duschte ich heiß, machte mir Tee und sah mir den Kram nochmal im Fernsehen an. Was für ein Unterschied! Plötzlich ging von den Bildern eine ganz andere Stimmung aus. Weil die Finger nicht klamm waren und die Füße nicht im Matsch klebten, ging mir sogar die Rede von Bush ans Herz. Mein Bericht darüber war folglich falsch. Ich hatte nur etwas gesehen, was zehntausend andere Menschen gesehen hatten. Die Kameras aber zeigten eine Wirklichkeit, die für viele Millionen Menschen galt.

Einen Tag später wurden in Hollywood die Golden Globes verliehen. Wieder saß ich vorm Fernseher. Ein Star nach dem anderen kam auf die Bühne, stammelte etwas von "bin so aufgeregt", "eine wundervolle Erfahrung", "hätte nie damit gerechnet" und ratterte die Namen von zehn bis fünfzehn Menschen herunter, bei denen er sich bedanken wolle. Mich dagegen beschäftigten zwei grundsätzliche Fragen. Warum gibt es eigentlich diesen skeptischen Unterton, wenn der Sohn eines Präsidenten Präsident wird, nicht aber, wenn der Sohn eines Schauspielers Schauspieler (Michael und Kirk Douglas) wird oder die Tochter eines Boxers Boxerin (Leila und Muhammad Ali)? Und zweitens: Warum sagt keiner bei der Golden-Globe-Verleihung, was dort wirklich passiert? Dass Julia Roberts sich übergeben musste, Tom Hanks stundenlang in der Nase gebohrt hat, Bob Dylan einen Schwächeanfall hatte und Elizabeth Taylor sturzbetrunken war? Ach Oma, so wie du es konntest, kann auch ich jetzt lächeln.

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